Werner Schmidbauer und Martin Kälberer:Ende ohne Schrecken

Die Musiker über ihre langjährige Zusammenarbeit, die jetzt nach drei Konzerten ruht

Interview von Michael Zirnstein

Wo Schmidbauer und Kälberer draufsteht, sind andere klingende Namen nicht weit. Musik, sagen sie, ist ein Miteinander. Wie nun bei Tollwood, wo sich die beiden beim siebten Auftritt in sieben Jahren den fränkischen Barden Wolfgang Buck eingeladen haben. Oder wie dann in Rosenheim, wo sie noch einmal mit Pippo Pollina spielen werden, wie 2013 vor 10 000 Fans in der Arena von Verona. Und wo sich auch andere Weggefährten wie Claudia Koreck, Sebastian Horn, Marcio Tubino und Schmidbauers erster Partner Ecco Meineke beim "Finale dahoam" von dem Duo verabschieden werden. Denn Werner Schmidbauer hört auf, mit allem. Aber nicht für immer.

Sie machen eine unbefristete Pause. Für wen würden Sie die sofort beenden, wenn er mit Ihnen spielen würde?

Werner Schmidbauer: Peter Gabriel. Aber der ruft nicht an. Nein, aus der Pause würde mich nicht mal der Papst rausholen, wenn der spielen könnte.

Martin Kälberer: Wobei, der schreibt schon gute Texte.

Schmidbauer: Ja, vielleicht würde der schon was reißen.

Viele trauen dem lieben "Dingsda"-Onkel gar nicht zu, dass er so bissig sein kann.

Schmidbauer: Das scheint mein Dilemma zu sein.

Wie reagieren die Konzertbesucher auf politische Lieder, etwa "Die ganz große Kunst", in dem Sie für Flüchtlinge singen.

Schmidbauer: Da gehen auch Leute heim. Aber endlich singt man für ein paar, die's auch angeht. Wir waren ja immer politisch. Da fühle ich mich unterbeachtet. Unsere 2003er-Scheibe hieß "Zeit der Deppen". Das war eine Reaktion auf die Wahl von George W. Bush, als die ganze Welt nach den schrecklichen Attentaten in den Arschloch-Modus gefallen ist, was die Staatschefs betrifft.

Kälberer: Werners Texte erscheinen klein und harmlos, aber wenn du dir das auf der Zunge und im Hirn zergehen lässt, spiegelt das eine große persönliche Ansicht wider. In der finden sich viele Menschen wieder, ich auch. Manche tun sich halt schwer, sich das einzugestehen, weil sie einen intellektuellen Hinterbau fordern.

Mit "Mandela" ehren Sie, wie Sie sagen, "einen der letzten globalen Friedenspolitiker". Wie ist das Stück entstanden?

Schmidbauer: Eine vogelwilde Geschichte. Wir waren in der Türkei und haben uns durch die Stadt gejammt. Der Martin hatte sich eine Trommel gekauft, eine Darabuka mit einem sehr aggressiven Sound. Wir waren in einem Wassertaxi und haben mitten auf dem Bosporus gejammt.

Kälberer: Und ich sag' zu ihm: "Zieh dein Handy raus und nimm das auf!"

Schmidbauer: Das hat zuerst mit Nelson Mandela überhaupt nichts zu tun gehabt. Aber dann ist er gestorben, und ich mochte ihn sehr, auch seinen militanten Teil, wo der Häuptlingssohn aus dem Kraal als Anwalt kämpfte. Da wusste ich: Diesen Song, der in der Türkei entstanden ist, den machen wir jetzt so. Jetzt ist es der Höhepunkt aller Konzerte, jeder singt auf Swahili den Refrain mit, selbst in einem niederbayerischen Dorf.

Werner Schmidbauer und Martin Kälberer: Getrennte Wege: Nach 1500 Konzerten legen Werner Schmidbauer (links) und Martin Kälberer eine Pause ein.

Getrennte Wege: Nach 1500 Konzerten legen Werner Schmidbauer (links) und Martin Kälberer eine Pause ein.

(Foto: Till Jenninger)

Ist das Ihre ganz eigene Vorstellung von Weltmusik?

Kälberer: Die Chance unserer Zeit ist, dass wir Zugang haben zu allen Dingen, die uns sonst fremd blieben. Wenn man sich denen mit Respekt nähert, dann kann man sich überall Elemente rausziehen und das zu etwas Neuem formen. Man muss sich halt vor billigem Tamtam hüten.

Schmidbauer: Und davor, sich selbst zu verleugnen. Sprachlich. Unser Konzert ist ein regionales Weltmusikkonzert, weil wir immer bairisch singen. Wobei: Das ums Bairische Herumhecheln dieser Heimat-Musikmacherei ist fürchterlich. Ich komme halt hierher, das ist meine Sprache. Und auf Swahili singe ich, weil ich das auch kann, weil ich ein Jahr in Kenia gelebt habe.

Als Surflehrer in jungen Jahren.

Schmidbauer: Da arbeiteten auch vier Kenianer, die konnten alle Bairisch am Ende. Wenn ein deutscher Urlauber an den Surfstrand kam, hat der Schwarze gefragt: "Wuist a Brettl?" Das Afrikanische und das Bairische sind sich sehr nah, ebenso die offenen Vokale im Fränkischen, wie man bei unserem Gast Wolfgang Buck sieht: "Wawawa. Mamamah . . ."

Geht es Ihnen also um die Brücken zwischen den Kulturen?

Schmidbauer: In Istanbul haben wir mit Musikern von überall her zusammengespielt. Frauen haben mit Rosen im Mund getanzt, Männer in Fünferketten, und 300 Leute haben mitgegrölt. Da hab ich gesagt: Schau an, das ist Weltmusik, wenn die am Feierabend mit drei Wein in der Birne "Wo-ho-ho bleibt die Müüsik" singen.

Warum hören Sie dann auf?

Schmidbauer: Ich habe schon auf der "Süden"- Tour mit Pippo Pollina eine Erschöpfung gefühlt. Wegen der Doppelbelastung, Journalismus und Musik, da ging mir der Dampf aus, der kreative, und der körperliche. Mein Vater ist mit 55 gestorben, er hat gearbeitet, bis es ihn weggeschnalzt hat, der konnte nichts mehr genießen. Ich dachte: Du wirst auch 55, nimm dir dieses Jahr.

Kälberer: Aber das eine Jahr ist nicht festgeschrieben. Was nach Werners Auszeit passiert, weiß keiner. Wir lassen eine Pause entstehen, aus der vielleicht was Neues erwächst. Das ist unsere Freiheit: Wir müssen nicht, es läuft. Aber wenn's gut läuft, birgt das die Gefahr, dass du dich verlierst. Du wirst nicht mehr gezwungen, groß nachzudenken, denn der Kalender ist eh voll.

Wieso haben Sie Martin Kälberer 1993 in Ihre große Band geholt?

Schmidbauer: Wir haben eine Platte in den Red Rooster Studios von Peter Maffay in Tutzing produziert. Als wir ankamen, fuhren Foreigner gerade weg. Maffay wollte auf seinem Label aber auch Nachwuchsbands machen. Wir brauchten einen, der die Tasteninstrumente spielen kann und vielleicht auch Quetschn. Irgendwer hatte mir zwei Namen aufgeschrieben. Der Kälberer, hieß es, kann auch bairisch, da hatte ich das Gefühl, das passt. Tatsächlich hat er auf meinen Anruf gewartet. Denn kurz davor gab es ein Feature über mich, weil ich nach zehn Jahren "Live aus dem Alabama" beendet hatte und mit meiner Band weiter machen wollte. Er war dann so herzerfrischend unüberrascht.

Wie kam dann Ihr Name mit in den Titel des Projekts, Herr Kälberer?

Kälberer: Die Band war immer auf eine größere Logistik angewiesen. Also haben wir uns nach drei Jahren gefragt: Geht das eigentlich auch zu zweit in den Clubs?

Schmidbauer: Die Plattenfirma wollte, dass der Schmidbauer der neue Ambros in Bayern wird, das war nicht mein Ding, ich wollte nicht auf Hits gehen. Also haben wir die vierte Platte in Martins winzigem Studio am Wiener Platz produziert. Auch live haben wir zusammen auf- und abgebaut und die Kohle geteilt. Martin hat mich vom Liedermacher-Lagerfeuer in die Weltmusikecke gebracht. Da war es klar: Teilen wir Produktion, Verdienst, Namen.

Was hat das mit Ihrem Selbstverständnis als Musiker gemacht, Herr Kälberer?

Kälberer: Es gibt im Kollegenkreis noch immer ein Missverständnis: Dass ich hier einen super Job erwischt habe. Aber das hier, das hat wirklich mit mir zu tun. In dieser Konstellation habe ich Dinge entdeckt, die ich vorher nicht kannte. Mit Liedermacherei hatte ich mich als Instrumentalmusiker nie beschäftigt. Werners Art, über den Text an die Musik heranzugehen, und welche Nähe er so schafft zu den Leuten, das war eine ganz neue Erfahrung.

Schmidbauer: Die Emotionen erzeugen wir schon zusammen. Zum Beispiel bei "Herobn". Ohne seine Instrumentierung mit freien Flächen - wie das dann wegfliegt - wäre das nicht derselbe emotionale Song. Auch unsere Freundschaft spüren viele. Wenn wir spielen, ist das Publikum oft weit weg, dann spielen wir für uns. Erst danach merken wir: Hey, ihr seid ja auch noch da.

Was wollen Sie dem Publikum bringen?

Schmidbauer: Ein Konzert soll so sein, dass man den Leuten die inneren Heimaten wiederbringt. Nicht Heimatmusik, um Himmels willen. Aber dieses: Stimmt schon, wie du bist. Ein warmes Gefühl. Das, was wir da reden, können wir echt leben. Weil wir haben das Privileg gehabt, unser Ding zu machen, ohne Druck von außen, und deswegen können wir lächeln und jetzt sagen: So machen wir Schluss.

Schmidbauer und Kälberer; Samstag, 16. Juli, 19 Uhr, Tollwood; Finale dahoam; Freitag und Samstag, 22. und 23. Juli, Rosenheim

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