Werkstattbesuch:Schlagfertig

Werkstattbesuch: Österreichischer Bergahorn, zwölf Jahre luftgetrocknet (links), Alexander Zachow (rechts).

Österreichischer Bergahorn, zwölf Jahre luftgetrocknet (links), Alexander Zachow (rechts).

(Foto: Claus Schunk)

Alexander Zachow fertigt die begehrtesten Trommeln der Schlagzeugbranche. Er weiß, wie man Rhythmus in Musik verwandelt. Aber welches Holz braucht man dafür? Und warum dauert das alles so lang?

Von Philipp Crone

Was haben Schlagzeugschläge eigentlich in einem Song verloren? Sie zerteilen doch nur die Melodie, krachen dazwischen. Alexander Zachow lächelt, die dünnen Haare im Gesicht, rechts und links neben sich je einen Trommelkessel. "Schlagzeuger haben langsam erkannt, dass sie ein Instrument spielen." Ein Instrument, das heißt Klang und Melodien. Aber ein Schlagzeug, das macht doch nur Schläge. Tschack. Oder?

Geräusch oder Ton?

Zachow, der Trommeltonmeister aus Unterwertach, den weltberühmte Drummer um Rat und um Drum-Kits fragen, lächelt weiter und zieht einen Holzkessel aus einem seiner verholzstaubten Regale.

Ton oder Schlag. Der Anfang von "Money for nothing" zum Beispiel, der Rock-Hymne von den Dire Straits: Synthesizergeplucker, wabernder Tonnebel, eine knabenchorhafte Kopfstimme haucht "I want myyy . . .", kurze Tonfolgen, die Kopfstimme, "M-T-Viiii", die Töne steigen an, lichten sich, und dann: Drei Schläge zerfetzen den Nebel.

BADABUNG.

Hi-Tom, Hi-Tom, Low-Tom. Knallender Anschlag, knurrender Ausklang, das Trommelfell schwingt mit dem Trommelkessel. Der erste Stoß, der das Lied weckt. Dann wieder das Wellenwabern.

BADABUNBOONG.

Hi-Tom, Hi-Tom, Low-Tom, Stand-Tom. Wuuuoooom.

Geräusch oder Ton?

BADA-BUDU-BO-BIDIDIM.

Die Sticks des Schlagzeugers Terry Williams zittern von links nach rechts über sein Set. Über die Toms, danach noch drei Snare-Schläge, auf die kleine schnarrende Trommel in der Mitte des Drumsets. Die Sticks arbeiten weiter, mit immer kürzeren Pausen, ein letztes Snare-Rauschen, bis zur eins, dem ersten Viertel des Viervierteltaktes, gespielt von der Gitarre. Zwei Takte, dann endlich der Beat, Bassdrum, Snare, im Wechsel. Erst in diesem Moment beginnt "Money for nothing" richtig zu leben, mit Puls 134.

Einmal verarbeitete er einen Eichentürstock von 1647. "Ein unglaublicher Sound."

Rhythmus. Das, was die Musik immer wieder zerteilt, zerstückelt, unterbricht, für Millisekunden zerstört, macht gleichzeitig aus Soundbrei einen Song. Seltsam. Und doch logisch. Denn Trommelschläge sind keine reinen Schläge, sie sind Töne, Trommeltöne. Die verbinden und führen. Töne, die klingen wie Schläge. Die aufteilen, nicht zerteilen.

Eine Trommel klingen zu lassen wie einen Topf kann jeder, das Fließband-China-Drumset aus dem Netz für 100 Euro besteht aus lauter Töpfen, die nur dumpfe Klopfgeräusche von sich geben. Eine Trommel zu bauen, die Töne statt Schläge erzeugt, können wenige. Alexander Zachow kann es wie kein Zweiter.

Ob Ian Pace von Deep Purple, Frank Zappa, Falco, die Spider Murphy Gang oder Pete York, früher Drummer bei der Spencer Davis Group. Die Marke Troyan, das sind die handgefertigten Sets des 49-jährigen Münchners, der in Unterwertach bei Feldkirchen die Scheunentür nur ganz kurz öffnet. "Die Fliegen!", sagt er, deutet auf den Hof gegenüber, also auf eins von zwei weiteren Gebäuden im Umkreis von einigen Feldern, und zieht die Tür zu. "Wenn die hier reinkommen, krieg ich sie nicht mehr raus." Der Mann mit dem hohen Haaransatz, hellholzfarbene Haut, dunkelholzfarbene Haare, tiefholzfarbenes T-Shirt, atempausenfreier Vortrag, arbeitet auf den Millimeter genau, da stört eine herumfliegende Fliege. Jetzt ist hier keine drin. Im Hintergrund B3-Gedudel, Spähnenstaubgeruch. An die Arbeit.

Die Werkstatt: vom Stamm zum Sound in zehn Metern, vom Holzlager am Eingang bis zu den Regalen voller fertiger Kessel neben der Kabine für das Ansprayen.

Der Weg zum Trommelton geht über die Jahresringe. "Je weiter die Jahresringe auseinanderliegen", sagt Zachow, "desto mehr Bass-Klang habe ich in einer Trommel mit diesem Holz." Der Ring, den man sieht, ist der dunkle Anteil des Holzes, der im Winter entsteht, da ist das Material dichter. Der helle Anteil entsteht im Sommer, er ist "luftiger, klingt und schwingt besser". Für eine Bassdrum sucht Zachow Bohlen mit viel Sommerholz. Die liegen auf Regalen gestapelt im Vorraum, manche mit Feuchtigkeitsmessern versehen.

Und die Holz-Art ist wichtig für den Ton. Zachow stellt ein Brett neben sich, schaut zu ihm auf. "Österreichischer Bergahorn, zwölf Jahre luftgetrocknet", klingt wie ein edler Wein. Je älter das Holz, desto besser der Klang. "Ich hab mal einen Eichentürstock von 1647 verarbeitet, vom Pfarramt Feldkirchen. Ein unglaublicher Sound." Das Holz beruhigt sich, sagt Zachow. Je weniger Spannungen es hat, desto klarer der Klang am Ende. "Dann gibt es weniger Frequenzverschiebungen."

Wenn die Schwingfrequenz des Fells gleich klingt wie die Schwingfrequenz des Kessels, ist es eine Trommel, und kein China-Topf. Dann stimmen alle drei Töne eines Trommelschlages zusammen, wie ein Akkord. Zapfiger Anschlag samt Fellton, am Ende das Ausklingen des Kessels.

BADABUNG. BADABUNBONBOONG

China-Töpfe werden in verklebten Schichten automatisch zusammengebaut. Zachows Kessel sind aus Massivholz. Nachdem er nach den Jahresringen das Holz ausgewählt hat, schneidet er Streifen aus den Brettern, um sie wie Dauben in einem Fass anzuordnen. Er fräst, auf 1/100-Millimeter genau, und schnell dazu, "damit sich die Feuchtigkeit im Holz nicht verändert". Spannungen, Frequenzverschiebungen. Die Teile werden verleimt, nicht verklebt, wie der Topf aus China. "Das ist wie beim Geigen- oder Gitarrenbauer." Die zusammengesetzten Dauben dreht er außen ab, fräst sie innen aus, versiegelt die Oberfläche. Später dann die Verankerung der Felle, die Felle zieht er am Ende drauf. "Das Schlagfell bestimmt die Tonhöhe, das Resonanzfell die Länge." Seine Bassdrum macht am Ende "BOUUMM", die verklebte und geschichtete macht "Paff".

16 Mitarbeiter auf der Homepage: In Wahrheit ist das jedes Mal er, mit verschiedenen Frisuren

Seit 30 Jahren arbeitet Zachow an Trommeln. Auf seiner Homepage sind sechzehn Mitarbeiter aufgelistet. Wer genau hinsieht, erkennt: Es ist sechzehn Mal Zachow selbst, mit verschiedenen Frisuren, in verschiedenem Alter.

Genau hinschauen, genau hinhören.

Zachows Vater war halbprofessioneller Musiker, halb, weil seine Frau keinen Profi-Musiker heiraten wollte. Der Sohn wollte auch Musiker werden. In den achtziger Jahren war er, wie so viele Musiker, Stammgast im Musik Eck, damals, als es in München noch viele Musikgeschäfte gab. Franz Trojan, der Schlagzeuger der Spider Murphy Gang, die zur der Zeit von Ralph Siegel gemanagt wurde, wollte eines Tages ein neues Schlagzeug, er war mit dem Klang der üblichen Schichtholztrommeln nicht mehr zufrieden, wollte einen kräftigeren, wuchtigeren Sound.

Die Betreiber des Musik Eck überlegten, baten Scheffler, die noch Fässer herstellen, ein Trommel-Fass zu bauen. Das erste war aus Eichenholz und verzog sich derart, dass Trojan vor einem Auftritt die Felle nicht mehr abschrauben konnte. Aber der Sound war wuchtig wie gewünscht, und so wurde aus dem einen Test-Set eine Geschäftsidee, der Markenname Troyan an den Namen des ersten Drummers angelehnt. Ein Modellbauer baute Kessel, sie verwendeten Ahorn statt Eiche, ein befreundeter Raumfahrtingenieur half mit. Und Zachow, der war Spengler, bekam die Entwicklung im Musik Eck mit und seine Fähigkeiten waren schnell gefragt. Er kann mit seinen Werkzeugen bis zu einem Hundertstel Millimeter genau arbeiten, baut heute Kessel mit einer Wandstärke von 2,6 Millimeter.

1986 fing Zachow dort an, zu besten Zeiten waren sie acht Schlagzeugbauer, seit 1996 führt Zachow das Geschäft alleine. Die Trommeln von Trojan klangen von Anfang an anders, lauter. Schlagzeuger mit der Fähigkeit, Dynamik einzusetzen, kauften Trojan. Auch Curt Cress, in den 1980er Jahren der meistgebuchte Studioschlagzeuger der Welt. Cress sagt: "Ich will, dass meine Toms tief und warm klingen, und trotzdem knallen." Der Knall beim Anschlag, der tiefe Ton des Kessels. "Früher habe ich ganze Tage am Set verbracht und nach dem richtigen Ton gesucht, das Set in Toiletten oder langgezogenen Räumen aufgebaut."

Die Snare für "Eine blaue Wolke" von Rio Reiser musste Cress ganz anders stimmen, "luftig und weich", im Gegensatz zum Beispiel zu den Snare-Sounds bei James Brown. "Da klingt die Snare hoch, genau wie die Gitarre, alles ist schnell und eng gespielt." Oder der erste Schlag bei Cantaloop Island von US-3, eher "Päff" als "Paff". Dagegen die Snare auf "The Walrus" von den Beatles, tief, nass, fett, gespielt mit ganz schlaffer Snare. "Poff".

Ein gutes Set und ein guter Schlagzeuger schaffen Melodien aus Rhythmen. Ein guter Trommelton ist vielleicht der am schwierigsten zu schaffende Klang in einer Band.

Die wichtigste Formel stammt aus dem Orgelbau: Tiefe mal Durchmesser ergibt die Dicke

BADABUNG von Dire-Straits-Drummer Terry Williams. Phil Collins' Trommel-Variation am Ende bei "In the air tonight" BUDU-BADA-BODO-BADA-BOMBOM, damit packt einen der Song erst so richtig.

Zachow baut drei bis fünf Sets im Monat, eines kostet 4500 Euro, aus dem österreichischen Bergahorn, luftgetrocknet, bevor Zachow das Holz schneidet, Kern und Borke entfernt und den Rest zusammensetzt, immer auf den Hundertstelmillimeter genau. Die Regel lautet: Durchmesser mal Tiefe ergibt die benötigte Dicke der Kessel. Das ist eine Formel aus dem Orgelbau, in beiden Disziplinen geht es um die Luftmenge. "Das ist dann wie ein guter Wein, es wird mit der Zeit immer besser." Zachow läuft durch seine Werkstatt, von Kessel zu Kessel, immer in Bewegung, manchmal 14 Stunden am Tag.

Zachows jüngstes Kind spielt Schlagzeug, der Junge ist zehn, die beiden älteren Schwestern haben kein Interesse an Trommeln. Er hat natürlich ein Troyan-Set. "Ist schon ein Jungs-Instrument", sagt Zachow. Jungs-Instrument? "Männlich ist doch das draufhauen, bestimmen, etwas vorgeben, vorangehen." Früher sollten die Trommeln trocken klingen, "heute wollen die Schlagzeuger Ton im Tom."

Ein schlechter Drummer unterbricht den Song, ein guter führt ihn, ein schlecht klingendes Set sticht heraus, ein gut klingendes liegt im Lied, trotz der Schläge.

Zachows Trommeln kann man stimmen wie eine Pauke, alle drei Töne, Anschlag, Fell- und Kesselton zu einem Dreiklang. "Der Kessel muss resonieren", sagt Zachow. "Wundervolle Sounds", sagt Cress. Schlanke, harte Töne, die den Rhythmus machen, Bassdrum-Töne, die zum Bass passen wie das Saxofon zur Trompete bei James Brown. Ein verstimmtes Schlagzeug ist zwar nicht ganz so schlimm wie eine verstimmte Gitarre, aber nicht weit weg davon.

"Ein ganz einfaches Break", sagt Curt Cress und meint die Trommeleinwürfe, die oft zwischen Strophe und Refrain gespielt werden, "kann Räume öffnen, Breite erzeugen. Und ein gutes Break kaschiert jeden verunglückten Tonartwechsel." Man spüre die Frequenzen, sagt Zachow, "Rhythmus ist Meditation".

Zachow sitzt in Unterwertach an einer einsamen Kreuzung in seiner Werkstatt zwischen lauter klingenden Kesseln. Er hat in 30 Jahren mehr als 10 000 Trommeln gebaut. Jetzt sitzt er zwischen zwei sirrenden Fliegen, fräst, feilt, fügt zusammen und prüft zwischendurch den Ton. "Ich wollte immer auf die Bühne, aber es haben immer nur meine Sets geschafft", sagt er. Als Schlagzeuger? "Um Gottes Willen, nein! Viel zu schwierig."

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