Werk der Wahl:Kleine Zeichen der Rebellion

Rüdiger Maaß wird von Blinky Palermos Gemälde "Flipper" an seine Jugend erinnert

Mein Lieblingsort für Kunst in München ist der Palermo-Raum in der Pinakothek der Moderne. Und innerhalb dieses Raums ist es das Gemälde "Flipper" von 1965, das ich besonders mag, da es ein sehr gutes Beispiel dafür ist, worum es Palermo ging und wie er gearbeitet hat. Zudem hat es einen Bezug zu meiner eigenen Biografie.

Blinky Palermo wurde mitten im Krieg 1943 als Peter Schwarze in Leipzig geboren, dann mit seinem Zwillingsbruder von der Familie Heisterkamp adoptiert. Die Familie zog 1952 nach Münster, wo Palermo zunächst die Werkkunstschule besuchte und dann von 1962 an bei Goller und später bei Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf studierte. Dort war er unter anderem mit Gerhard Richter (mit dem er auch einige Gemeinschaftsarbeiten schuf), Polke, Knoebel und auch Anatol Herzfeld befreundet; letzterer gab ihm um 1964 auch seinen Künstlernamen Blinky Palermo, in Anlehnung an einen amerikanischen Boxpromotor.

Viel zu früh verstarb Palermo 1977 nach einem intensiven Leben. Palermo verstand sich als Maler, wobei seine Malerei nicht nur auf Leinwand und Papier, sondern auch auf gefundenen Gegenständen beziehungsweise mittels aneinandergenähter, monochromer Bahnen von Kaufhaustoff erfolgen konnte. Inhaltliche Vorbilder waren von Mitte der 1960er-Jahre an vor allem die US-Minimal- und Farbfeldmaler, allen voran wohl Barnett Newman. Anders als die Amerikaner allerdings stellte Palermo ihrer exakten "hard edge"-Malerei eine nicht perfekte, "sinnlichere" Malerei gegenüber, die kleine Ungenauigkeiten zuließ und oft als "europäische" Variante der Minimal Art gesehen wird.

Blinky Palermo

Die Vorlage für Blinky Palermos "Flipper" stand im Ratinger Hof in Düsseldorf.

(Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen / VG Bild-Kunst, Bonn 2015)

Die Anregungen für seine Werke fand Palermo häufig in seinem persönlichen Umfeld. Beispiele hierfür sind das "Treppenhaus", das ein grafisches Abbild der olivgrünen Schutzbemalung des Treppenhauses in seinem damaligen Wohnhaus in Düsseldorf darstellte, oder eben der "Flipper", den Palermo 1970 auch in eine zweiteilige Lithografie umsetzte.

Das Motiv des "Flipper" ist eine fast originalgetreue Übertragung der Außenbemalung des Flipperapparates, einem 1964er "Happy Clown" der Firma Gottlieb, der damals im "Ratinger Hof" in Düsseldorf stand. Der Ratinger Hof, den die damalige Frau von Imi Knoebel betrieb und der Ende der 1970er-Jahre ein legendärer Ort der deutschen Musikszene wurde, war Palermos Stammkneipe. Hier auch der Bezug des "Flipper" zu meiner Biografie, da ich in den 1980er-Jahren in Düsseldorf aufgewachsen bin und den Ratinger Hof in seinen letzten Jahren noch ausgiebig erleben durfte. Interessanterweise gibt es übrigens in der Pinakothek ein Gemälde seines Kommilitonen Norbert Tadeusz, das Palermo beim Spielen an eben diesem Flipper zeigt.

Der "Flipper" besteht aus einem Raster blauer Linien. Die Quadrate des Rasters sind schachbrettartig rot und weiß ausgefüllt. Wie für Palermo typisch, ist das Raster nicht ganz symmetrisch auf der Leinwand platziert, sondern am linken Bildrand angeschnitten. Zudem sind die Farbflächen und Linien nicht ganz exakt voneinander abgegrenzt; teilweise hat Palermo "über die Ränder" gemalt. Diese kleinen Zeichen der Rebellion gegen zu viel Formalismus und die Erinnerung an eine legendäre Kneipe und Konzerthalle in Düsseldorf gefallen mir besonders am "Flipper" - gerade in München.

Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, Mi, Fr bis So, Di 10 bis 18 Uhr; Do 10 bis 20 Uhr

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