Werbung in Computerspielen:So konzentriert kommen wir nicht mehr zusammen

Werbung wird zu einem "Echtheitsfaktor" in virtuellen Welten. Klar, Ein Stadion ohne Werbebande, ein Getränke-Automat ohne Logo, eine Kinoreklame ohne Filmplakat gelten kaum noch als realistisch. Spielehersteller und Werber wissen das - und sorgen inzwischen für reichlich Product-Placement aus dem wahren Leben.

JÜRGEN SCHMIEDER

Tor beim Computer-Fußball! Der virtuelle Michael Ballack hat sich im Spiel gegen Real Madrid in die Luft geschraubt und per Kopf einen Treffer erzielt. Begeistert läuft er in die Richtung der Eckfahne zu einer Bande. Während er sich von seinen Kameraden feiern lässt, leuchten im Hintergrund die Logos bekannter Firmen.

Werbung in Computerspielen: Warum nicht mal ein Logo einer bekannten marke auf dem T-Shirt? Im wirklichen Leben, also im fensehen, gehts doch auch.

Warum nicht mal ein Logo einer bekannten marke auf dem T-Shirt? Im wirklichen Leben, also im fensehen, gehts doch auch.

(Foto: Illustration Eidos)

Denn die Strategen der Werbeabteilungen haben einen neuen Markt entdeckt, ihre Produkte anzupreisen: Computerspiele sind mittlerweile eine beliebte Plattform und haben gute Chancen, zu einer ernsthaften Konkurrenz für das Fernsehen zu werden.

Die virtuellen Welten haben Vorteile, die andere Medien nicht bieten können. So können die Programmierer den Spieler durch die Dramaturgie eines Spiels zu einer Anzeige locken.

Beim Fernsehen kann der Zuschauer eine Werbe-Unterbrechung durch Weg-Zappen umgehen. Bei Computerspielen ist das nicht so einfach. Es gibt es Aufträge, die ein Spieler zu erfüllen hat. Es gibt Schätze zu suchen, Welten zu ergründen und Morde aufzudecken. Dazu muss der virtuelle Held Etappenziele erreichen. Dies schafft er nur, wenn er bestimmte Orte aufsucht, Gegenstände in seinen Besitz bringt und mit Waffen umgehen kann.

So auch in "Max Payne 2": Der Spieler hat die Möglichkeit, das Zielen mit der Pistole an Cola-Dosen zu üben. Diese Dosen kann er aus einem Automaten ziehen, das Logo des Getränke-Herstellers ist für mehrere Minuten - es gibt keine Ausweichmöglichkeit - auf dem gesamten Bildschirm zu sehen.

Das bedeutet eine hohe Erreichbarkeit der Zielgruppe und eine - gemessen an Fernseh- und Kinostandards - unglaubliche Werbedauer.

Wie groß das Interesse an Werbung in Computerspielen ist, zeigen die Namen der Werbekunden. Es handelt sich nicht um kleine Spartenfirmen, sondern die Crème de la Crème der Industrie möchte die beliebten Plätze gerne für sich haben.

Auch die Konzentration auf einzelne Zielgruppen ist möglich, lässt es sich doch leicht feststellen, wer die Spiele kauft und somit die Werbung sehen wird. Die Registrierung von Spielern im Internet macht es möglich.

So wird das Spiel "Grad Theft Auto" hauptsächlich von Männern im Altern von 14 bis 30 Jahren gespielt. Ein Service, den das Fernsehen in dieser exakten Form nicht bieten kann.

Dazu können die Hersteller garantieren, dass die Käufer des Spiels konzentriert dabei sind und nicht zwischendurch wegsehen oder gar einschlafen.

Von so aufmerksamen Werbekunden kann das Fernsehen zumeist nur träumen.

Das haben auch Werbeagenturen erkannt.

Darüber hinaus können die Spielehersteller garantieren, dass alle Käufer die Werbung wahrnehmen - ein Wegsehen ist ausgeschlossen. Im der neuen Version des Agentenspiels "Splinter Cell" zum Beispiel muss der Spieler durch eine Straße voll mit Plakaten gehen. Einen anderen Weg zum Ziel gibt es nicht und sollte der Spieler nicht jedes einzelne Plakat betrachten, könnte er ein wichtiges Element verpassen oder durch einen Hinterhalt getötet werden.

Eine halbe Million Menschen, die mehrere Stunden am Tag mit einem Spiel verbringen und auf jedes Detail achten müssen. Ein Traum für jede Werbeagentur.

Bei den Preisen für einzelne Werbeangebote hüllen sich sowohl die Hersteller von Computerspielen als auch die Marketingexperten noch in Schweigen.

Vor 10 Jahren lief der Held im legendären Ego-Shooter "Duke Nukem" noch an einem Kino vorbei, das einen imaginären Film anpries. Im Kinosaal selbst war es möglich, auf die Leinwand eine verpixelte nackte Schönheit zu projizieren.

Das ist heute nicht mehr nötig, schon allein aufgrund der kurzen Halbwertzeit von Computerspielen. Dadurch, dass von fast jedem Spiel jährlich eine neue Version herauskommt oder von einem aktuellen Spiel verdrängt wird, haben die Hersteller die Möglichkeit, den Zeitraum genau zu bestimmen, in dem sich ein Spiel auf dem Markt und die Werbung damit auf dem Bildschirm befindet.

Die meisten Spiele sind innerhalb von sechs Monaten obsolet. Somit wissen die Programmierer, dass sie aktuelle Ereignisse wie den Start der Kylie Minogue-Tournee oder die Premiere des Films "Der Babynator" auch in Computerspielen bewerben können.

Werbung wird in anderen Medien oft als störend empfunden. Fernsehzuschauer klagen über zu lange Unterbrechungen, Internet-User über lästige Pop-Ups. Die Werbung in Computerspielen folgt einem anderen Prinzip.

Die Logos und Marken werden spielerisch in die Dramaturgie eingearbeitet, die Hersteller preisen sogar die Realitätsnähe aufgrund der Werbung. Ein Fußballstadion ohne Banden, ein Kino ohne Plakate oder Firmengebäude ohne Getränkeautomaten sind nur schwer vorstellbar.

Den Spielern jedoch scheint es egal zu sein, für welche Firma geworben wird. Werbung ist Werbung, egal für wen.

Manche Spiele weigern sich zwar gegen Werbung oder gehen satirisch damit um. So preist der Stadionsprecher im Spiel "NHL 2005" während der Drittelpause keine realen Produkte an, sondern er wirbt ironisch für fiktive Firmen, Filme und CDs.

Der Sarkasmus hält sich aber in Grenzen und scheint zu verschwinden. Auch die rechtliche Lage kommt den Spiele-Herstellern gelegen. Es gibt kein Gesetz, das die Länge und Häufigkeit von Werbung in Computerspielen begrenzt. Ein Spieler könnte also an zehn Automaten für Softbrause vorbeilaufen, seine Nahrung immer wieder in Schnellrestaurants kaufen müssen oder wichtige Informationen immer wieder in einem Kinosaal zu erhalten.

Die Möglichkeiten scheinen noch nicht ausgereizt zu sein.

In Computerspielen gibt es Quellen, die noch unerschlossen sind. So wäre es zum Beispiel möglich, in Spielen, die erst ab 18 Jahren zugelassen sind, für nicht jugendfreie Produkte zu werben.

So könnten Produkte und Dienstleistungen der Sex-Industrie beworben, mehr Menschen als nachts im Fernsehen oder in Fachzeitschriften erreicht und ein völlig neues Publikum erschlossen werden.

Auch das Laden von Spielen - im Moment sieht der Spieler noch Erklärungen zum Spiel - wird in naher Zukunft beworben werden.

Die Spieler dürften dies begrüßen, besteht doch die Möglichkeit, dass Spiele durch die Unterstützung der Werbe-Industrie preisgünstiger werden.

Die Preise könnten also fallen.

Das Spiel "Anarchy Online" beispielsweise ist in der Version mit Werbung sogar kostenlos, sogar ganze Konsolen wie Gizmondo sollen billiger sein, akzeptiert der Käufer drei Werbespots täglich.

Spiele-Hersteller wie Eidos und EA Sports sind davon überzeugt, dass sowohl die sie selbst als auch die Spieler profitieren werden.

Werbung in Computerspielen ist auf dem Vormarsch und stellt eine ernsthafte Option für viele Produkthersteller dar. So lange das Product Placement nicht den Spielspaß verdirbt, sind die Spieler sogar für diese Art der Werbung.

Sie ziehen in Spielen wie "Need for Speed" die neueste Version des Ferrari F 40 einem fiktiven Fahrzeug vor oder tragen in Personensimulationen lieber Sneakers der Marken Nike und Adidas als No-Name-Schuhe.

Auch gegen Tabakwerbung - vereinzelt in Formel 1-Rennspielen zu sehen - liegen noch keine Einwände vor. Erst wenn zu einem Tor von Michael Ballack der neueste Handy-Klingelton aus den Stadion-Lautsprechern dröhnt und er dem Maskottchen Tweetie um den Hals fällt, werden die Spieler wohl Protest einlegen.

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