Weltgeschichte:Logistik mit Alexander dem Großen

Für Kinder- und Jugendsachbuch
ET 8.12.2017

Illustration aus Ewald Frie und Sophia Martineck: Die Geschichte der Welt.

Eine Weltgeschichte für neugierige Leser, erzählt von Ewald Frie. Mit farbigen Darstellungen und Kartenzeichnungen.

Von Franziska Augstein

Der Titel dieses schön gemachten Buches ist nachgerade niedlich: "Die Geschichte der Welt. Neu erzählt". Aha, da setzt einer sich hin und erzählt mal auf schlappen 460 Seiten, was sich in den vergangenen 4000 bis 5000 Jahren auf dem Globus so abgespielt hat. Der Autor Ewald Frie lehrt Neuere Geschichte in Tübingen. In einem fulminanten Nachwort, das allein den Kauf des Buches lohnt, erklärt er, wie Geschichtsforscher arbeiten und wie man eine Weltgeschichte schreibt, obwohl man selbst eigentlich nur wenig Ahnung hat. Der Fachmann wurde zum Schüler seines eigenen Projekts. Fries Rezept: ganz viel lesen und davon nur das an seine Leser weitergeben, was für sie wirklich interessant sein könnte.

Seine Weltgeschichte, die ihm vom C.H. Beck-Verlag vorgeschlagen wurde, hat den Autor Nerven gekostet. Im Nachwort zitiert er einen wohlwollend-maliziösen australischen Kollegen: "Ich stünde vor der Wahl, entweder alles zu lesen, was wichtig ist - dann würde das Buch nie fertig - , oder das alles nicht zu lesen - dann würde es ein schlechtes Buch." Irgendwie hatte der Australier sogar recht. Die zweite Kalamität: Wer die Weltgeschichte auf 460 Seiten zusammenpresst, macht sich angreifbar. Da kommen dann die Meckermäuler, die Dinge sagen wie: Dieses hat der Autor ausgelassen, das hat er vernachlässigt, und - ganz schlimm - den Namen von jenem afrikanischen Landesführer, der vor 900 Jahren regierte, hat er falsch geschrieben. Das alles wäre ungerecht. Frie hat eine kluge Auswahl getroffen. Er zeigt, dass Europa nicht immer der Nabel der Welt war (und es jetzt nicht mehr ist). In Afrika gab es Hochkulturen, als die nördlichen Germanen sich noch den Rücken an der Borke von Bäumen rieben. Frie hat ein Auge für soziale Probleme, religiöse Kalamitäten und sogar für die Umwelt.

Leider hat er sein Buch rein geografisch und - nach Möglichkeit passend dazu - zeitlich sortiert, von der Urgeschichte bis in die Moderne. Jedes neue Kapitel bietet eine völlig neue Umgebung, da muss man als Leser aus eigenem immer wieder neues Interesse aufbringen, sei es für die Kultur der Indios in Südamerika, sei es für Japan, Russland oder den amerikanischen Bürgerkrieg. Schade ist es, dass Frie seinen Kapiteln nicht Spürfragen vorangestellt hat, historische Rätsel, die dazu verführen, die Auflösung unbedingt wissen zu wollen.

So hätte er fragen können: Wie kam es zu Geldwirtschaft und Handel? Dann: Die Politik-Geschichte der Antike ist für neugierige, junge Leser sicher weniger spannend als die Darstellung, wie Alexander der Große seine lange Eroberungsreise nach Indien logistisch auf die Reihe bekam. Für die Antike hätte ein Schwerpunkt auf der Technikgeschichte sich angeboten.

Oder: Wie kam es dazu, dass in Afrika nach dem Jahr 1000 Hochkulturen sich entwickelten, die später versandeten? Oder: Warum gewann Europa in der Frühen Neuzeit die Oberhand auf dem Globus? Oder: Warum wurde in Ghana, nachdem es 1957 unabhängig geworden war, ein Riesenstaudamm gebaut, dessen Elektrizitätsproduktion die Ghanaer gar nicht brauchten? Frie beantwortet die meisten dieser Fragen. Die künstlerische Ausstattung der Bandes beeindruckt mit den farbigen Illustrationen von Sophia Martinek. Faszinierend sind die Darstellungen des Kartenzeichners Peter Palm. Darin mag man sich versenken. Wo lebten zum Beispiel die Apachen, Comanchen oder Sioux, deren Stolz heute TV-Geschichte ist? (ab 12 Jahre und für Erwachsene)

Ewald Frie: Die Geschichte der Welt. Neu erzählt. Mit Illustrationen von Sophia Martineck. C.H. Beck, München 2017. 463 Seiten, 24 Euro.

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