Waldschlösschenbrücke in Dresden:Strafe muss sein

Die Unesco hat entschieden: Das Dresdner Elbtal verliert den Welterbestatus - schuld ist die vierspurige Waldschlösschenbrücke.

Gottfried Knapp

Das Unsägliche, das alle Freunde Dresdens seit Jahren befürchten - jetzt ist es geschehen: Die Kunststadt Dresden ist von der Liste der Weltkulturerbestätten gestrichen worden. Das zuständige Komitee der Unesco hat auf seiner diesjährigen Tagung in Sevilla dem seit drei Jahren auf der Roten Liste der gefährdeten Denkmäler stehenden Dresdner Elbtal den Status des Weltkulturerbes aberkannt.

Waldschlösschenbrücke in Dresden: Hätte man doch auf sie gehört: Bürgerinitiativen in Dresden protestieren gegen den Bau der umstrittenen Waldschlösschenbrücke. Wegen ihr verliert Dresden nun den Welterbetitel.

Hätte man doch auf sie gehört: Bürgerinitiativen in Dresden protestieren gegen den Bau der umstrittenen Waldschlösschenbrücke. Wegen ihr verliert Dresden nun den Welterbetitel.

(Foto: Foto: dpa)

Der Grund dafür ist leider allzu bekannt: Weil Dresdner Politiker den im Jahr 2006 mitten im Schutzgebiet begonnenen Bau der Waldschlösschenbrücke - er wird die Denkmallandschaft des Elbtals an einer der schönsten Stellen brutal durchschneiden - trotz mehrfachen Aufforderungen nicht gestoppt oder abgeändert haben, musste die Welterbe-Kommission tätig werden. Die Schmach, die der Freistaat Sachsen damit über Deutschland bringt, wird bei kleinen Nationen, die mit ihren Welterbestücken große konservatorische Probleme haben, einige Schadenfreude auslösen.

Aus Berlin, das sich längst in die Dresdner Debatte hätte einmischen müssen, kam am Donnerstag eine erste Reaktion auf das Dresdner Unesco-Debakel. Städtebauminister Tiefensee sprach endlich den Satz, den Angela Merkel schon vor Jahren hätte aussprechen müssen: "Welterbestätten sind nationale Aufgaben. Die Regionen können diese Aufgabe allein nicht stemmen." Von den 150 Millionen Euro, die der Bund ab sofort für die Förderung der deutschen Welterbestätten bereitstellt, soll keine einzige nach Dresden gehen.

Bislang ist nur einem einzigen Land ein Welterbetitel aberkannt worden: Der Wüstenstaat Oman ist 2007 von der internationalen Liste der Kultur- und Naturdenkmäler gestrichen worden, weil er, um endlich bequem Öl fördern zu können, ein ausgewiesenes Wildschutzgebiet bis auf einen Bruchteil zusammengestrichen hat.

Deutschland zieht nun mit dem Oman gleich. In Dresden geht es zwar nicht um Öl und Geld, dafür aber um Wählerstimmen und um die Demonstration von Macht - und wohl auch um vorzeitig vergebene Bauaufträge. Im Februar 2005 wurden die Dresdner zu einem Bürgerentscheid über die geplante Elbbrücke aufgefordert. Da dem Wahlvolk alle möglichen Konflikte, die beim Bau im Weltkulturerbe anfallen konnten, geflissentlich vorenthalten wurden, konnte es zu jenem Votum für die Brücke kommen, auf das sich der Freistaat seither verbissen beruft, obwohl die Stadt Dresden sich nach den ersten Warnungen der Unesco gegen den Bau entschieden hat. Im Jahr 2007 hat der damalige Stadtrat sogar beim Bundesverfassungsgericht gegen den mit allen juristischen Tricks durchgepeitschten Bau geklagt.

Zu den Tricks, mit denen die Betreiber des Brückenbaus und ihre Verbündeten in den Richterroben die Vorschläge zur Rettung des Elbtals abgeschmettert haben, gehörte auch die freche Behauptung, dass der als Alternative vorgeschlagene Tunnel unter der Elbe nicht baubar sei. Details aber, wie die Tatsache, dass eine Brücke, aber auch ein Tunnel als Teil des geplanten vierspurigen Straßenrings, in der beschaulichen Gartenstadt südlich der Elbe grausam wüten werden, weil sie den angelockten Massenverkehr auf stille Wohnstraßen verteilen, wurden den Dresdnern geschickt verschwiegen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie groß der moralische Schaden für Dresden sein wird.

Am Rhein droht das Gleiche

Nicht mehr verschweigen lassen sich jetzt aber die Schäden, die der konservierten Kulturlandschaft im langgezogenen Elbbogen zwischen Loschwitz und Altstadt durch die am Talhang aus einem Straßentunnel herausschießende und dann in einer Schräge den Hang, die Elbe und die Auwiesen überquerende Brücke zugefügt werden.

Extreme Störung

Von allen Aussichtspunkten am Hochufer über den Weinbergen, aber auch von den Spazierwegen unten am Ufer aus wird man die vierspurige Brücke - sie überquert das Tal ungefähr im Scheitel der Kurve - als extreme Störung, als auslöschenden Querstrich in der Landschaft erleben. Und von überall wird man mitansehen und mitanhören müssen, wie das Tunnelmaul oben am Hang massenhaft Pkws und Lkws ausspuckt, die laut über die grobschlächtige Brücke fahren und am anderen Ende auf den Auwiesen beim Einfädeln ihre umständlichen Schleifen ziehen.

Schmerzlicher und heimtückischer als die reale Wunde in der Landschaft wird aber der geistige, um nicht zu sagen: der moralische Schaden sein, den Sachsen als Kulturstandort und Deutschland als Musterland des Natur- und Denkmalschutzes durch diese berechtigte Rüge aus der Völkergemeinschaft erleiden werden. Dresden ist nach der Wiedervereinigung nicht nur von seinen deutschen Gästen, sondern auch von Besuchern aus aller Welt als ein Zentrum europäischer Kultur wiederentdeckt und, obwohl stark zerstört, als glücklicher Sonderfall unter den Städten Ostdeutschlands wahrgenommen und genossen worden.

Der Wiederaufbau des Zwingers, der Gemäldegalerie und der Schinkel-Oper noch zu DDR-Zeiten und die Wiedereinrichtung des Grünen Gewölbes im nun ganz den Kunstsammlungen gewidmeten Schloss haben der Stadt viel von ihrem alten Glanz zurückgegeben. Vor allem aber der ganz mit privaten Spenden aus aller Welt finanzierte Wiederaufbau der Frauenkirche hat der Stadt eine Welle der Sympathie beschert, die jetzt durch den Strafbefehl aus Sevilla, durch die Verstoßung aus der Riege der Weltkulturstätten, unsanft gekappt werden dürfte.

Der große Verlierer

Die Unesco-Kommission konnte, wenn sie glaubwürdig bleiben wollte, nach dem zweimaligen Aufschub des Ultimatums bei der dritten Überprüfung nicht mehr anders als radikal reagieren. Die Politiker von CDU und FDP in Dresden haben sich allen Vermittlungsversuchen der Pariser Behörde so brüsk widersetzt, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich war. Wenn künftig in Deutschland also darüber abgestimmt wird, welches Bundesland sich bei der Unesco für die Aufnahme in das Weltkulturerbe bewerben darf, wird Sachsen erst einmal weit zurückgestellt werden. Dresden ist der große Verlierer dieses traurigen Tages.

Die einzigen Menschen in Deutschland, die sich über den sächsischen Welterbe-Tumult vielleicht leise gefreut haben, könnten die Verkehrspolitiker des Landes Rheinland-Pfalz sein. Denn die riesige Aufmerksamkeit, die sich Dresdens Politiker mit ihrem trotzigen Affront gegen die Unesco und gegen die geistige Opposition im eigenen Land eingehandelt haben, hat fürs Erste vergessen lassen, dass das Land Rheinland-Pfalz einem ganz ähnlich gearteten Skandal entgegensteuert: An einer der schönsten Stellen im Weltkulturerbe Mittleres Rheintal wollen die Mainzer Politiker eine mächtige Straßenbrücke errichten lassen.

Bei der Sitzung des Unesco-Komitees in Sevilla war vom bedrohten Rheintal zwar noch nicht die Rede, doch wenn die beschlossene Brücke zwischen St. Goar und St. Goarshausen, also in nächster Nähe zur Loreley, in der geplanten Form errichtet wird, könnte - nach Köln und Dresden - zum dritten Mal eine deutsche Welterbestätte auf die Rote Liste der gefährdeten Kultur- und Landschaftsdenkmäler geraten.

So kann man nur hoffen, dass die Vertreter Niedersachsens und Schleswig-Holsteins, die das deutsche Wattenmeer in diesem Jahr für das Weltkulturerbe vorschlagen wollen, nicht auch schon eine Brücke oder Ähnliches im Hinterkopf haben.

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