Wagner-Festspiele:Bayreuth, die Säule der Kultur

Bayreuther Festspiele 2015 - Festspielhaus

Intrigen auf dem Grünen Hügel: das Festspielhaus in Bayreuth.

(Foto: dpa)

Die Wagner-Festspiele sind eines der wenigen deutschen Weltereignisse. Deshalb dürfen sie nicht zum Intrigantenstadl verkommen.

Kommentar von Andrian Kreye

Deutschland hat kein Königshaus. Deswegen verfolgen viele die Intrigen rund um die Richard-Wagner-Festspiele jedes Jahr aufs Neue mit Lust.

Nun wirkt die Festspielleitung aus gutem Grund wie eine Monarchie. Seit 1876 wird das Festival dynastisch geführt. Es gibt ein Haus auf einem Hügel, das die Vision beziehungsweise den Willen des ursprünglichen Regenten architektonisch eins zu eins umgesetzt hat. Und es gibt in der vierten Generation der Wagners gleich mehrere Stränge der Familie, die sich untereinander mit großer Leidenschaft bekriegen und seit dem 19. Jahrhundert sowieso schon eine nicht enden wollende Serie der Skandale zu verwalten haben.

Voller Machtbewusstsein, mit großer Verschwiegenheit. Auch in diesem Jahr gab es drei Wochen vor der Premiere einen Eklat, als der Dirigent des "Parsifal", Andris Nelsons, wegen "atmosphärischer Störungen" ausstieg. Dem ging ein Eklat von 2014 voran, als man den Berufsprovokateur und Künstler Jonathan Meese erst für 2016 und den "Parsifal" als Regisseur verpflichtete und dann wieder rauswarf. Das hat dazu geführt, dass die Neuinszenierung in diesem Jahr unter der Regie und dem Dirigat von Ersatzmännern stattfinden wird. Die müssen am Montag einen neuen "Parsifal" von möglichst Weltrang aufführen. Und Weltbedeutung hat das Haus. Deswegen lastet ja so viel Druck auf der jährlich einen Neuinszenierung. Und deswegen kann man es sich eigentlich nicht leisten, dass Bayreuth zum Intrigantenstadl verkommt.

Die Festspiele dürfen nicht zum Intrigantenstadl verkommen

Da fängt es allerdings schon an. Wer ist "man"? Der Bund? Das Land Bayern? Die Kommune Bayreuth? Die Freunde von Bayreuth? Die Bayerische Landesstiftung? Die Oberfrankenstiftung? Die Familie Wagner selbst? Die Intendantin Katharina Wagner? Das sind zumindest die Mitglieder der Trägerstiftung. Nun wartet die Öffentlichkeit schon lange auf so etwas wie Bayreuth Papers. In denen stünde vielleicht, warum Dirigent Christian Thielemann den eigens für ihn geschaffenen Posten des Musikdirektors bekam. Vielleicht gibt es Aktennotizen, die erklären, warum der Dirigent Nelsons neulich überstürzt die Proben verließ. Klar, der Regisseur Uwe Eric Laufenberg ist nicht irgendwer. Viele werden auch dankbar sein, dass in diesem Jahr ein Profi mit internationaler Opernerfahrung inszeniert, kein Künstler mit großem Namen und wenig Ahnung.

Gänsehaut trotz Sommerhitze im Festspielhaus

Auch der Dirigent Hartmut Haenchen ist nicht bloß ein Ersatzmann mit flexiblem Terminkalender. Er hat den "Parsifal" schon mit Erfolg in Brüssel, Paris, Amsterdam, Kopenhagen und Stuttgart dirigiert. Er hat vor allem als junger Mann in Bayreuth bei Pierre Boulez hospitiert und viel von ihm gelernt. 1977 war das, als Boulez die zweite Spielzeit des "Jahrhundert-Rings" dirigierte. Der gilt bis heute als zweiter Gründungsmythos und als Maß aller Dinge.

Doch der Jahrhundert-Ring ist 40 Jahre her. Bayreuth ist ein jährliches Weltereignis. Und so viele Ereignisse und Werke von Weltbedeutung hat Deutschland gar nicht. Es sind vor allem die klassische Musik und die Bildende Kunst, die weit über die Grenzen hinausstrahlen. Wenn man zulässt, dass sich eine der wichtigsten Säulen mit internen Querelen selbst Schaden zufügt, muss man Lösungen suchen. Und Bayreuth ist ja nur ein Fall unter mehreren.

Die föderale Kulturpolitik mit der Hoheit der Länder mag dazu geführt haben, dass Deutschland eine außerordentlich reiche Kulturlandschaft hat. Doch wenn es um Leuchtturmprojekte geht, schafft die Kombination aus chaotischen Entscheidungswegen, gordischen Interessensknoten und kommunikationswissenschaftlich kaum noch erklärbaren Anhäufungen von Missverständnissen ein Chaos, das den Kulturstandort Deutschland infrage stellt.

Es gibt immer wieder Menschen, die sich ein solches Machtvakuum zunutze machen. Katharina Wagner und Christian Thielemann gehören offensichtlich dazu. Doch man wird ganz grundsätzlich überlegen müssen, wie man ein solches Machtvakuum auflöst, damit kein Schaden entsteht; nicht nur in Bayreuth. Da aber schließt sich der Kreis mit der Frage: Wer ist eigentlich "man"?

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