Vorschlaghammer:Zur Rap-Polizei

Jan Böhmermann liefert eine Hip-Hop-Imitation, die verdammt echt klingt

Von Jakob Biazza

Kann gut sein, dass Jan Böhmermann jetzt auch noch die Popkultur verändert hat. Oder zumindest die Art, wie über sie geschrieben wird. Denn es ist ja so: Rap - auch in seiner härteren Straßenvariante, dort also, wo die Bässe sich noch ein bisschen tiefer in die Magengrube wühlen und Wörter wie "Nutte" und "Opfer" als nickelige kleine Euphemismen durchgehen - ist längst auch in guten Zeitungen angekommen. Zu Recht. Die Musik ist wichtig. Man sollte dringend über sie nachdenken. Haltung zu ihr entwickeln vielleicht sogar.

Der Punkt ist aber: Wer drüber nachdenkt, kommt meistens beim Begriff "Attitüde" raus. Gangsta-Rap wird gemeinhin dann als spannend empfunden, wenn er mit authentisch-halbkriminellem Habitus herangebellt kommt. Das unterscheidet ihn - zum Beispiel jetzt - von den Fantastischen Vier. Die übrigens sehr gut sind, aber auf eine vergleichsweise niedliche Art eben, weshalb für ihr Konzert in der Olympiahalle im Januar 2017 (!) die Sitzplätze jetzt schon fast alle weg sind. Wenn Straßen-Rap also nicht wie Abzählreime von vernachlässigten Schlüsselkindern klingt, sagt man gemeinhin, liegt das an seiner Attitüde.

So, und jetzt kommt dieser Jan Böhmermann daher - Moderator im öffentlich rechtlichen Fernsehen, Weißbrot und blasser Hänfling - und veröffentlicht unter dem Pseudonym Pol1z1stens0hn den Song "Ich hab Polizei". Das wäre übrigens auch der erste Tipp hier: dringend anschauen (findet man in der ZDF-Mediathek)! Ist brutal gut gemacht! Vordergründig eine eher simple Haftbefehl-Imitation. Dahinter aber vernichtend. Der Song klingt nicht nur verdammt echt. Er sieht nicht nur verdammt echt aus. Er fühlt sich auch - und jetzt wird es eben vertrackt - beinahe echt an. Böhmermanns Rap-Satire ist leider sehr nah dran an den Originalen, besingt aber quasi das Gegenteil. Will sagen: Wer den Song mal gehört hat, könnte Probleme haben, noch beeindruckt zu Zehn Jahre Selfmade Records zu gehen (19. Dezember, Zenith) - eine Plattenfirma mit Sitz in Düsseldorf, die viele von den halbderben Hip-Hoppern unter Vertrag hat. Auf der Geburtstagstour sind unter anderem Kollegah und Genetikk dabei. Und im Normalfall würde man jetzt sagen, dass die mit ihrer sehr rauen Art viel Kraft entwickeln. Aber aus den genannten Gründen ist dieses Lob gerade schwierig.

Das ist also grob die Situation. Und interessant wäre jetzt natürlich, ob das auch andersherum geht. Ob man, wo Attitüde ja plötzlich so nichtig scheint, Musik, bei der sonst durch den Habitus alles kaputt geht, unbefangen hören kann? Was also zu A cappella führt. Zum Vokal-Total-Festival (noch bis 12. Dezember) und zu Bands, die malebox heißen, str8voices, Suchtpotential oder zwo3wir (alle am 12. Dezember in der Freiheizhalle). Bei denen fehlt sich musikalisch natürlich nichts (im Gegenteil). Und trotzdem muss man doch immer an frechbunte Hemden unter schlecht sitzenden Polyesteranzügen denken. Wie schön, wenn man das jetzt einfach ausblenden und nur die Musik hören könnte. Fürchte aber, dass Satire so herum nicht funktioniert. Oder Popkultur. Oder beides. Leider.

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