Vorschlag-Hammer:Wo der neue Dutschke spricht

Was für Zeiten, was für Gleichzeitigkeiten! Just am Donnerstag, als Zehntausende, vor allem junge Leute, in der Münchner Innenstadt gegen das neue Polizeiaufgabengesetz demonstrierten, sprach Gretchen Dutschke draußen am Starnberger See in der Evangelischen Akademie in Tutzing

Kolumne von Susanne Hermanski

Was für Zeiten, was für Gleichzeitigkeiten! Just am Donnerstag, als Zehntausende, vor allem junge Leute, in der Münchner Innenstadt gegen das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) demonstrierten, sprach Gretchen Dutschke draußen am Starnberger See in der Evangelischen Akademie in Tutzing. Anlass war die viertägige Tagung "1968/2018 Pop & Politik - die friedliche Revolution. Mit Tagtraum und Utopie gegen Gleichgültigkeit und Barbarei". Gretchen, die Witwe Rudi Dutschkes, Mutter seiner drei Kinder, selbst Theologin und Schriftstellerin, erörterte das Phänomen der "Repressiven Toleranz" und ging dabei auf die Diskussion um die antisemitischen Texte des Rappers Kollegah ein, eines Mannes, der übrigens Jura studiert hat. Ihr Mann Rudi Dutschke, einer der Protagonisten der 68er-und Studentenbewegung, starb zehn Jahre nachdem ihn ein Rechtsradikaler in Kopf und Schulter geschossen hatte, an den Spätfolgen des Attentats.

Vor dem Hintergrund des PAG bewegt sich gerade wieder etwas an den Universitäten, besonders in München: An der Akademie der Bildenden Künste hat sich die "Polizeiklasse" gegründet - zusammen mit Studenten von der Hochschule für Philosophie und Politik-, Soziologie- und Ethnologiekommilitonen der LMU. Ein weißes "Nein" auf schwarzem Grund ist das Zeichen dieser jungen Leute bei ihren Kunst- und anderen Aktionen im Kampf um den Erhalt des "Freiraums zum Denken".

Weil ich in Tutzing war, habe ich nicht mitdemonstriert gegen dieses Gesetz, das vielleicht schon beschlossen ist, wenn dieser Text gedruckt vorliegt. Während ich ihn schreibe, muss ich noch an eine andere Veranstaltung denken, bei der ich am Montag war: dem "No Limits"-Fest. Es galt einem außerschulischen Kultur- und Sport-Projekt, das Mittelschülern aus schwierigen Verhältnissen helfen will, Mut und Selbstvertrauen zu fassen, damit auch sie einen ebenso guten wie selbst gewählten Platz in unserer Gesellschaft finden können. Denn 30 000 Kinder leben im reichen München in Armut, und der Kabarettist Max Uthoff sprach seine Keynote in entsprechend bitterer Ironie. Doch was die Jugendlichen, die No Limits acht Monate lang durchlaufen hatten, nach Uthoff auf die Bühne brachten, zeigte das Gegenteil: Erfolge, Perspektiven - und vor allem aufgeweckte, kluge, junge Köpfe. Wer mehr jungen Menschen und damit dieser Stadt etwas Gutes tun will, guckt auf die Homepage des Vereins Dein München. Und wer seinem eigenen Kopf Gutes tun will, der meldet sich vielleicht schnell für eine der nächsten Tagungen in Tutzing an. Vom 8. bis 10. Juni fragt man dort zum Beispiel, was von 75 Jahren Weiße Rose geblieben ist und erinnert sich an die letzten Worte von Hans Scholl: "Es lebe die Freiheit!"

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