Vorschlag-Hammer:Wer nicht fragt

Es gibt solche, die mit Prämisse in die Welt schauen, und schon sehr genaue Vorstellungen davon haben, was sie dort finden sollten. Und jene, die auf den ganzen Irrsinn blicken, und sich angesichts des Chaos' am liebsten gleich wieder hinlegen würden. Urban Priol zum Beispiel, weiß viel. Und viel auch schon vorher

Von Jakob Biazza

Im Grunde gibt es ja nur zwei Arten von Humorarbeitern - egal, ob man damit jetzt gerade Satire meint, Kabarett oder Comedy: diejenigen, die wissen, und diejenigen, die suchen. Ein bisschen wie bei der Wissenschaft: deduktiv und induktiv. Solche also, die mit Prämisse in die Welt schauen, und schon sehr genaue Vorstellungen davon haben, was sie dort finden sollten. Und jene, die auf den ganzen Irrsinn blicken, und sich angesichts des Chaos' am liebsten gleich wieder hinlegen würden. Urban Priol (18. Oktober, Nürnberg; 19. Oktober, Bamberg), zum Beispiel, weiß viel. Und viel auch schon vorher. Gerhard Polt (30. Januar, Augsburg), weiß nicht so viel, und quasi nichts vorher, deshalb fragt er ja auch so wunderbar und dreht, wendet und hintersinnt die Dinge. Stermann & Grissemann (10./11. November, Lustspielhaus) wiederum wissen quasi alles, das allerdings irgendwie österreichisch - mehr so ums Eck. Und Hazel Brugger (31. Oktober, Lustspielhaus) weiß für ihr Alter erstaunlich viel, deshalb wirkt sie manchmal vielleicht noch ein bisschen besserwisserisch. Wobei ich da privat jetzt sagen würde: Wenn einer es halt wirklich besser weiß, warum dann die anderen dumm sterben lassen?

Nico Semsrott (3. November, Lustspielhaus) weiß gar nichts. Nein, halt, so kommt das falsch raus. Nico Semsrott weiß nämlich, dass er unendlich viel nicht weiß, und noch viel mehr nie wissen wird. Deshalb gab es ein paar Jahre in seinem Leben, in denen er viel Zeit im Bett verbracht hat. Man darf sich das als recht ausgewachsene Depression vorstellen, aber auch wieder nicht groß genug für Medikamente. Deshalb hat er es eben mit Poetry-Slams probiert. Eine Zeitlang hat er in denen der Welt erzählt, wie traurig er ist, und zwar so lustig, dass daraus ein echtes Bühnenprogramm wurde.

Und auf alldem fußt jetzt leider oft das Missverständnis, der 31-Jährige würde noch immer "Demotivationsseminare" abhalten, Depressions-Kabarett also, Witze übers Traurigsein. Was nun deshalb etwas schade ist, weil er ja eigentlich seit geraumer Zeit den politischen Zeitgeist hinterfragt, wie wenige sonst. Vor Kurzem hat sogar die Washington Post über ihn geschrieben: "Mit demselben düsteren Humor, mit dem er die Rechtsaußenpartei und ihre fatalistischen Prognosen einer islamischen Übernahme verspottet, hält er sich auch seine eigenen Dämonen vom Leib." Das ist vielleicht etwas pathetisch, geht aber schon in Ordnung so. Ich persönlich mag diesen Semsrott-Satz: "Die rechte Logik geht so: ,Mir geht's nicht so gut, woran könnte das denn liegen? Ah, vermutlich an den Leuten, die gerade erst kommen.'" Was ich damit sagen will: Man sollte sich diesen Mann ansehen. Er ist sehr gut. Glauben Sie mir. Ich weiß es.

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