Vorschlag-Hammer:Voraus in die Vergangenheit

Wenn jemand aus dem Jahr 1985 ins München anno 2015 käme, würde er sich sofort zu Hause fühlen. Zumindest in popkultureller Hinsicht. Denn rocktechnisch fahren wir noch mit Diesel, nicht mit Warp-Antrieb

Von Michael Zirnstein

Es geht zurück in die Zukunft, liebe Leser! "Schon wieder", denken Sie sich jetzt, das sehe ich voraus: "Ach, je, Zeitreisen sind doch Schnee von gestern." Sogar die Tagesschau hat doch in einem recht witzig fingierten Beitrag darüber berichtet, dass am vergangenen Mittwoch die Gegenwart so war, wie sich Hollywood 1989 die Zukunft vorgestellt hat. Aber das ist mir egal, in dieser Rubrik ist das Thema neu. Jedenfalls war der 21. Oktober jener geschichtsträchtige Tag, als Michael J. Fox alias Marty McFly mit seiner PKW-Zeitmaschine im Jahr 2015 landete. Daher fordern jetzt Freunde von mir auf Facebook, dass das rollenfreie Rollbrett, im Film Hoverboard genannt, endlich in Echt erfunden werden muss. Ausgerechnet die, die sich schon auf einem normalen Skateboard die Haxen brechen würden. Jedenfalls waren mir solche epochalen Daten immer schon wichtig: Wo werde ich sein, wenn Kubricks "2001" und dann "2010" erreicht sind? Was ist, wenn Udo Jürgens wirklich 66 Jahre alt ist? (Das war im Jahr 2000; und auf diesem Weg möchte ich allen danken, die mich auf den Fehler in meinem Bericht über Ich war noch niemals in New York am Deutschen Theater hingewiesen haben. Dies ist tatsächlich nicht Jürgens' einziges Musical, er hatte bereits 1974 an "Helden, Helden" mitgewirkt).

Jedenfalls stelle ich mir just im Moment vor, wie sich ein popkulturell interessierter Mensch aus dem Abreisejahr 1985 (der betreffende zweite Teil von "Zurück in die Zukunft" kam erst 1989 heraus) fühlen würde, beamte es ihn direkt ins München anno 2015. Er würde sich wohl gleich zu Hause fühlen. Da rockten am Sonntag (für Sie jetzt gerade leider schon wieder Vergangenheit) im Feierwerk die haarigen Engländer von UFO ihr "Doctor, Doctor" und andere Glam-Hits, die waren schon 1985 Altmetall, wenn auch noch hübsch poliert. Sagen wir mal so: Rock-technisch fahren wir 2015 noch mit Diesel, den Warp-Antrieb haben wir noch nicht erfunden. Das sieht man auch daran, dass die Schweden Europe heute (wenn sie diese Zeilen am 26. Oktober 2015 lesen) im Circus Krone noch immer den "Final Countdown" einzählen, komponiert 1986, kurz nach "Back to The Future I". Übrigens in dem Jahr, in dem Chris Norman sein "Midnight Lady" im "Tatort" und sechs Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts schmachtete (am 8. Dezember singt er im Circus Krone). Und 1986 war auch das Jahr, als sich eine 1972 gegründete Band namens Cacumen (verständlicherweise) in Bonfire umbenannte. Der einzige amtliche Ingolstädter Hardrock-Export (der am Donnerstag, 29. Oktober, im legendären Legends of Rock in Olching spielt). Na, und die Jazzer dürfen auch beruhigt sein, dass alles beim Alten ist, wenn der 88-jährige Lee Konitz in der Unterfahrt ins Saxofon bläst, er ist wohl der letzte überlebende große "Neuerer" der Vierzigerjahre. Da fällt mir ein, dass Peter Maffay dieser Tage ein neues Album mit seinem - zwischendurch eingeschläferten - Drachenkind Tabaluga herausbringt, das schon 1983 angeblich 600 Jahre alt war. Man kann jetzt schon Karten für die Olympiahallen-Show am 14., 15. oder 16. Oktober kaufen, natürlich 2016, 2015 wäre ja längst vorbei.

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