Vorschlag-Hammer:Verfolgt von der Kultur

In den vergangenen Wochen habe ich viel über das Dok-Fest geschrieben, habe filmische Weltreisen in den Münchner Kinos empfohlen. Und was mache ich, kaum waren die Dokumentarfilme vorab gesichtet, die Artikel verfasst, die Eröffnung gefeiert? Ich verlasse die Stadt und reise. Nicht filmisch, sondern in echt

Kolumne von Bernhard Blöchl

Zugegeben, manchmal flunkern wir ein bisschen, spinnen Seemannsgarn, fabulieren. Legen Ihnen Veranstaltungen ans Herz, die wir toll finden, aber selbst nicht besuchen. Aus vielerlei Gründen. Was mich betrifft, so habe ich in den vergangenen Wochen mehrfach über das Dok-Fest geschrieben, habe Ihnen filmische Weltreisen in den Münchner Kinos empfohlen. Und was mache ich, kaum waren die Dokumentarfilme vorab gesichtet, die Artikel verfasst, die Eröffnung gefeiert? Ich verlasse die Stadt und reise. Nicht filmisch, sondern in echt.

Mit meiner Liebsten fuhr ich nach Cambridge, um Freunde zu besuchen und zu urlauben. Ein bisschen Pause vom Kulturwahnsinn. Doch daraus wurde nichts (abgesehen von ein paar Schafkopfrunden im Pub, aber das ist ja auch Kultur). In der englischen Studentenstadt nicht mit Literatur, Musik und Kunst in Berührung zu kommen, ist etwa so wahrscheinlich, wie in München nicht auf Biergärten, die Isar oder die Polizei zu stoßen. Im Innenhof des King's College fühlte ich mich direkt an die Lektüre von Takis Würgers Cambridge-Roman "Der Club" erinnert, vor den Toren des Trinity College an die Wiener Regisseurin Anna Martinetz, die dort studiert hat und an diesem Samstag in München ihre Literaturadaption Onkel Wanja vorstellt (siehe Bericht). Wer Cambridge sagt, muss auch Nick Hornby sagen, Sylvia Plath, Virginia Woolf und Douglas Adams. Man blickt auf die Seufzerbrücke und denkt: hach, so viele Querverbindungen! Matthew Bellamy, Mastermind meiner Immer-noch-Lieblingsband Muse, ist hier geboren (live am 3. Juni bei Rock im Park; Konzertfilm zur Drones World Tour am 12. Juli im Kino, Vorverkauf läuft); Stephen Hawking ist hier gestorben.

Selbst bei einer Landpartie zum Rosamunde-Pilcher-würdigen Audley End House war an Abschalten nicht zu denken. Beim Rundgang erzählte ein kundiger Mann, dass hier zuletzt der Regisseur Danny Boyle eine Serie über die Entführungsgeschichte von John Paul Getty III gedreht habe, top besetzt mit Donald Sutherland und Hilary Swank. "Trust" heißt die US-Produktion. Kaum war das Thema Film angeschnitten, sprangen die Gedanken zurück nach München: Eine bayerisch-britische Koproduktion kommt hier am 24. Mai in die Kinos: The Happy Prince von und mit Rupert Everett als Oscar Wilde. Zur Premiere gibt es einen SZ Kultursalon mit dem britischen Star, der ja auch als Sänger eine prima Figur macht (23. Mai, 18 Uhr, Künstlerhaus). Apropos: In der Stadt am Cam sind auch die Straßenmusiker inspirierend. Einer hockte in einer Mülltonne und spielte Johnny Cash, nur der Gitarrenhals ragte heraus. Frage: Würden Blumfeld (23. Mai, Ampere) und Buntspecht (18. Mai, Milla), zwei Pop-Tipps für diese Woche, für ihre Kunst in ein Mistküberl steigen? Ich werde das beim Schafkopf mit Freunden bereden. Dann wieder mit Bier statt Pimm's.

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