Vorschlag-Hammer:Strukturelle Defizite

Im Ateliertrakt der Villa Stuck wird in wenigen Tagen mit "Geh und spiel mit den Riesen - Kindheit, Emanzipation und Kritik" eine spannende Ausstellung eröffnet. Die Museumsleitung beweist damit Mut zum Risiko

Von Christoph Wiedemann

Von kommendem Sonntag, 11. Oktober, an wird im Ateliertrakt des Museums Villa Stuck mutmaßlich eine richtig spannende Ausstellung zu sehen sein: "Geh und spiel mit den Riesen - Kindheit, Emanzipation und Kritik". Es geht in dieser Ausstellung um einen Rekurs auf die Siebzigerjahre und die antiautoritäre Kindererziehung. Die Idee damals war, Kindern eine eigenständige Rolle in der Gesellschaft zuzutrauen. Künstler aus dieser Generation des pädagogischen Aufbruchs versuchen sich nun in der Villa Stuck an der Gestaltung eines intellektuellen Kinderspielplatzes für Alt und Jung.

Spannendes Experiment und lobenswerter Mut zum Risiko, denn den Ausstellungstitel könnte man eigentlich auch eins zu eins über die Tür des Museums setzen. "Geh und spiel mit den Riesen" war 1992 bei der Übernahme des maroden Vereins Villa Stuck durch die Stadt und der daran anschließenden Umwandlung in ein städtisches Museum unausgesprochen so etwas wie das Entlassungsmotto. Wie sich behaupten gegen die weit ausgebreiteten und seit den 1990er-Jahren mächtig angewachsenen Museumsriesen zu Füßen des Isarhochufers? Wie attraktiv bleiben im Osten, am Ende der Prinzregentenstraße, wo doch die musealen Schwerpunkte durch das "Kunstareal" westlich der Ludwigsstraße bis heute auf den Großteil des Publikums wie Schwermagneten wirken?

Die Antwort: Flexibel, findig, schnell und Nischen erkennend - so nämlich leitet Michael Buhrs, seit 2007 Direktor des Museums, sein Haus. Ein Obsessiv-Täter! Und ein Segen für die seit den Achtzigerjahren vernachlässigte zweite Münchner Museumsachse. Denn die Prinzregentenstraße mit ihren aneinandergereihten kulturellen Altehrwürdigkeiten angefangen beim Haus der Kunst über Bayerisches Nationalmuseum und Villa Stuck bis hin zum Prinzregententheater hängt seit der Entscheidung, die Bayerische Staatskanzlei in den Hofgarten zu setzen, in der Luft. Der Architekt Stephan Braunfels, nachmaliger Planer der Pinakothek der Moderne, hatte seinerzeit vorgeschlagen die Kunstmuseen für die Moderne links und rechts der alten Armeemuseumskuppel zu installieren. Welch ein Korso wäre das gewesen! Durch den Hofgarten zur dort nie entstandenen Pinakothek der Moderne. Anschließend ins Haus der Kunst, ins Nationalmuseum, in die Archäologische Staatssammlung und am Ende in die Villa Stuck. Vorbei und vergessen.

Die gegenwärtige Situation sieht so aus. Haus der Kunst und Archäologische Staatssammlung müssen aufwendig saniert werden. Dafür steht das Nationalmuseum als großer alter Tanker seit der Renovierung des Westflügels und der Wiedereinrichtung der Barocksammlung besser da, denn je. Und die Villa Stuck ganz oben am Hochufer hat sich als Überlebenskünstler bewährt. Im Gegenzug aber verharrt das wesentlich prominenter gelegene Kunstareal bis heute in undefinierter Bauklötzchenstarre. Das ist kein erkennbares Quartier, sondern immer noch nur ein Museumskonglomerat. Daran muss in der von Staat und Stadt so begeistert proklamierten Kunststadt München dringend gearbeitet werden.

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