Vorschlag-Hammer:Neue alte Schule

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Vor ein paar Jahren hat die inzwischen 31 Jahre alte Autorin Theresia Enzensberger das "Block-Magazin" gegründet, und interessanterweise ist das nicht nur ein Forum für einigermaßen jugendliche Menschen, sondern es erscheint überdies in Papierform, very old school. Wie groß ist die Retro-Sehnsucht der Jungen?

Von Antje Weber

Manchmal wünsch ich mir, es würde eine dunkle Seite geben/ Manchmal wünsch ich mir, Franz Josef Strauss würde noch leben,/ Damit ich endlich wieder wüsste, wofür und wogegen/ Ich noch kämpfen soll,/ Wenn alle Pfade längst betreten sind,/ Alle Bibeln längst gesegnet sind." So beginnt ein Text von Moritz Kienemann, der im Blog des Block-Magazins zu finden ist. Gegründet hat das vor ein paar Jahren die inzwischen 31 Jahre alte Journalistin Theresia Enzensberger, und interessanterweise ist es nicht nur ein Forum für einigermaßen jugendliche Menschen, die sich einstige Feindbilder zurückwünschen, sondern es erscheint überdies in Papierform und auf Subskriptionsbasis, very old school. Wie groß, fragt man sich, ist die Retro-Sehnsucht der Jungen?

Sie ist auf alle Fälle da. Bei einem Literaturhaus-Abend zum Thema "The Next Generation" am Montag wurde wieder einmal klar, dass die Abgrenzung von den Alten für die heute Dreißigjährigen besonders schwierig ist. In der Diskussion von Enzensberger mit dem annähernd gleich alten FAZ-Redakteur Simon Strauß, der in Berlin in den vergangenen Jahren die Tradition des Salons (!) pflegte, ging es denn auch um die Sehnsucht nach Utopien - in dem Bewusstsein, eben nicht bei Null anfangen zu können. Und das auch gar nicht zu wollen, denn sowohl Enzensberger als auch Strauß legen in diesen Wochen Debüt-Bücher vor, in denen sie sich von der Geschichte inspirieren lassen. Es geht ihnen, wie Strauß sagt, um einen "Blick zurück, der Mut macht, in die Zukunft zu schauen".

Lernen von den Alten? Dafür gibt es ja immer wieder jede Menge Gelegenheiten. Zum Beispiel vom Erzähler Rafik Schami, der unter dem Titel "Damaskus - Liebeserklärung an eine verletzte Stadt" am 11. Juli einen Benefiz-Abend im Literaturhaus bestreitet. Zum Beispiel vom Nachkriegs-Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer, der sich übrigens mit Identitätskrisen bestens auskannte; der Tukankreis widmet ihm am 12. Juli einen Erinnerungsabend in der Seidlvilla. Zum Beispiel von Natascha Wodin, die ihre unfassbar furchtbare Familiengeschichte im Buch "Sie kam aus Mariupol" aufgearbeitet hat und am 12. Juli im Literaturhaus erklärt. Zum Beispiel auch von Paul Wühr, dem Meister experimenteller Schreibkunst, der ein Jahr nach seinem Tod am 18. Juli im Literaturhaus gewürdigt wird.

Und was darf man von den jungen Autoren in München vor der Sommerpause noch erwarten? Sie tun sich im Fall der Theatertexter zusammen und präsentieren am 22. Juli im Hoch X unter dem Titel Bellt! Blecht! ihre "dramatischen Essenzen". Und sie feiern am 26. Juli im Literaturhaus: Bei Release Hoch 2 lesen Autoren der Bayerischen Akademie des Schreibens - aus einem Seminar für, ja, historische Stoffe. Dazu beschäftigt sich das junge Magazin Kon Paper, das ebenfalls auf Papier-Qualität setzt, mit dem Thema Strom; sogar ein historisches Instrument namens Theremin soll zu sehen sein. Das Neue kommt eben manchmal ziemlich alt daher. Kein Problem - solange nur die Sehnsucht nach Franz Josef Strauß nicht größer wird.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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