Vorschlag-Hammer:Mehr Licht

Ich weiß, das hier soll keine politische Kolumne sein. Und zu Paris ist eigentlich schon zu viel gesagt. Aber vor der Schule meiner Kinder stehen jetzt zwei Polizisten

Von Oliver Hochkeppel

Ich weiß, das hier soll keine politische Kolumne sein. Und zu Paris ist eigentlich schon zu viel gesagt. Aber vor der Schule meiner Kinder stehen jetzt zwei Polizisten. Hinein, etwa zu einem Termin bei einem Lehrer, komme ich nur nach Vorzeigen meines Ausweises, Ausleeren meines Rucksacks und Eintrag in eine Liste. Meine Telefonnummern und Mailadressen werden gerade von der Schulverwaltung überprüft. Alle Ausflüge oder Klassenfahrten sind bis auf weiteres abgesagt. Die Kinder sind angehalten, "verdächtige Gegenstände" zu melden. Gut, es ist eine französische Schule, man versteht.

Aber ist das nicht wieder mehr Ausdruck der Hilflosigkeit als sinnvolles Handeln? Ist es nicht genau das, was Terroristen beabsichtigen? Dass nach einem Anschlag der Kontrollwahn ausbricht, ins öffentliche Leben eingegriffen wird, ja gar die Verfassung geändert werden soll. Wir befinden uns ja seit 14 Jahren in einem so gearteten ordnungstechnischen "Krieg gegen den Terror". Sicherer hat uns das offensichtlich nicht gemacht.

Denn die Mörder, ob bei 9/11 oder 11/13, ob Anders Breivik oder die Sauerland-Bomber, sind ja nicht aus dem "Reich des Bösen" gekommen, sondern aus unserer Mitte. Sie sind unter uns, in Europa aufgewachsen. Aber man hat ihnen die europäische Kultur verweigert, sie ausschlossen, sie den Rattenfängern ins Netz getrieben. Sie, wie wir alle, hätten mehr vom Geist der Aufklärung gebraucht, mit der wir seit gut 200 Jahren leider nicht mehr vorankommen. Weniger Waffen, mehr Bücher. Weniger Polizisten, mehr Pädagogen. Weniger Dogma, mehr Freiheit. Weniger Religion, mehr Kultur. Wer irgendwie dazu kommt, Klavier oder Gitarre zu spielen, Breakdance oder Ballett zu tanzen, zu malen, zu dichten oder in einer Theatergruppe mitzumachen, der schnallt sich keinen Sprengstoffgürtel um.

Das ist nun mein Fanal: Soweit es irgend geht, ignoriere ich die Fanatiker und ihre fanatischen Bekämpfer. Werde stattdessen mehr denn je das Schöne und Wahre, das Kluge und Witzige suchen. Und das findet sich nun mal am ehesten in der Kultur, dem besten Remedium, Hirn und Herz ins rechte Lot zu bringen. Gleich an diesem Buß- und Bettag gibt's viele Möglichkeiten: Das neue Lach- und Schießensemble (Mittwoch bis Samstag, bis in den Januar hinein), das in der Tat schön, wahr, klug und witzig zugleich ist. Oder die Titanic-Chefredakteure (Lustspielhaus), die den aktuellen Satirepegel der "Neuen Frankfurter Schule" vorführen. Weniger dem Geist der Aufklärung, dafür der europäischen Tradition der musikalischen Erbauung verpflichtet ist Mariza, die Königin des Fado Nuevo (Philharmonie). Genauso wie bald darauf die Münchner Indie-Darstellerin, Gitarristin, Sängerin und Bandleaderin Rosalie Eberle, die nochmal überwiegend alte Rosalie & Wanda-Hits spielt (20. November, Volkstheater), bevor sie im Dezember ihr neues Album vorstellt. Setzen auch Sie ein Zeichen: Machen Sie mit in Kultur.

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