Vorschlag-Hammer:Kultur auf der Überholspur

So viel Kultur war nie, kann man sich in diesem Oktober wieder einmal denken. Das praktische Verkehrsproblem ist da oft nur, wie man hinkommt

Von Oliver Hochkeppel

Heute mal von hinten durch die Brust ins Auge. So viel Kultur war nie, kann man sich in diesem Oktober wieder einmal denken (bevor man den November erlebt hat). Man muss nur irgendwie hinkommen. Für einen derzeit ganz gut ausgelasteten Kulturjournalisten kann es ganz schön eng werden, wenn er zum Beispiel an diesem Freitag, 9. Oktober, beim hierzulande noch schmählich unbekannten österreichischen Musikkabarettisten Otto Jaus vorbeischauen will. Im Vereinsheim beginnen die Vorstellungen nämlich schon um 19.30 Uhr, und da ist unsereins natürlich noch halb beim letzten Artikel, Meeting oder Künstlergespräch.

Macht man sich dann "eiligst" mit der U-Bahn auf den Weg, kann man wieder einmal erfahren, dass Weit- und Rücksicht keine stark ausgeprägten Eigenschaften des Menschen sind. Denn beim Umsteigen am Sendlinger Tor oder Marienplatz werden zu dieser Zeit noch unweigerlich alle Zusteigenden direkt vor der Türe warten, völlig verblüfft, dass da tatsächlich erst jemand aussteigen will. Das Spiel setzt sich dann auf der Rolltreppe fort, die ganz offensichtlich wieder von Zahllosen das erste Mal im Leben benutzt wird. Die stehen dann links und sind völlig überrascht und indigniert, wenn man dort hinaufzugehen begehrt. Vom Tag für Tag an seine Grenzen stoßenden öffentlichen Nahverkehr aufs Auto umzusteigen, ist auch keine Option. Ein Kollege hat am Mittwoch für die Strecke Unterschleißheim - Schwabing zwei Stunden gebraucht. Sollten Sie es wieder Erwarten doch rechtzeitig schaffen, ein Tipp: Parken kann man eigentlich nur in der Biedersteiner Straße, das aber immerhin recht zuverlässig.

Um zum New Yorker Pianisten Dan Tepfer zu gelangen, der - wie schon vor ein paar Jahren beim BMW Welt Jazz Award - jetzt am 10. Oktober in der Unterfahrt seine großartigen Bach-Interpretationen spielt, sollten sie das Auto gleich stehen lassen. Wegen der Baustelle am Klinikum rechts der Isar kriegen Sie da auch um 21 Uhr keinen Parkplatz. Um die Zeit - und weil die Wiesn zum Glück schon vorbei ist -, ist die U4 oder U5 das Beförderungsmittel der Wahl. Schon weil sie direkt vor der Haustür hält. Sollte ich mich am selben Abend aber für den lieben Hannes Ringlstetter entscheiden - gut möglich, stellt er doch sein Buch "Paris - New York - Alteiselfing" über seine Anfänge nicht solo, sondern in illustrer Begleitung von Kapazundern wie Stoppok, Peter Brugger, Sebastian Horn, Stephan Zinner oder seiner alten Band Schinderhannes vor -, müsste ich von Perlach zum Circus Krone. Am besten wäre da die S7 zur Hackerbrücke. Wenn sie auf der bis Giesing eingleisigen Strecke ausnahmsweise mal nach Fahrplan fährt.

Eine Woche darauf, am 17., ist dann Musikkabarett-Kollege Michael Krebs mit seinem unbedingt sehenswerten neuen Programm im Schlachthof, auch so ein verkehrstechnisch prekäres Kultureck. Geht eigentlich nur radeln - wenn das Wetter noch passt. Alles redet vom selbstfahrenden Auto, wir Kulturfuzzis warten auf den selbstfliegenden Helikopter.

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