Vorschlag-Hammer:Im Gespräch bleiben

Miteinander reden - manche Menschen müssen das erst oder wieder lernen. Wer Anschauungsunterricht braucht, hat in nächster Zeit große Auswahl

Von Antje Weber

Der Mensch von heute hat die einfachsten Dinge verlernt. So kommt es einem zumindest vor, wenn man wie jüngst im Spiegel von der "School of Life" des Schriftstellers Alain de Botton liest, die nun auch in Berlin Lebenshilfe leistet. Denn was lehrt man dort? Auf Perfektion zu verzichten (na gut), die Stadt in Spaziergängen zu erkunden, mit den Nachbarn zu sprechen und nicht dauernd aufs Handy zu starren.

Mit den Nachbarn zu sprechen - muss man das lernen? Offensichtlich schon. Natürlich ist es manchmal einfacher, Gespräche zu umgehen - und sich im Ernstfall nicht mit guten Argumenten auseinandersetzen zu müssen, die einem ausnahmsweise nicht selbst eingefallen sind. Doch es hilft nichts, der Mensch sollte nicht nur gelegentlich mit Nachbarn reden, sondern auch mit Freunden, Eltern, Kindern und gar Ehepartnern. So er dann noch Kraft hat, ist auch ein Gespräch mit weniger vertrauten Menschen denkbar. Wenn Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht mit dem CSU-Mann Peter Gauweiler diskutiert, werden beide vielleicht zu unerwartet ähnlichen Schlüssen kommen (9. Juni, Literaturhaus). Auch beim Gespräch zwischen dem höchst unbequemen Autor Thilo Sarrazin und dem Philosophen Julian Nida-Rümelin kann man nicht ausschließen, dass sie einander und der Öffentlichkeit interessante Dinge mitzuteilen haben (20. Juni, Literaturhaus).

Doch auch jenseits des politischen Schlagabtauschs ist es ja wichtig, im Gespräch zu bleiben. Die Münchner Buchhandels-Aktionswoche Bookuck, die am Samstag, 11. Juni, ihren Höhepunkt findet, ist ein gutes Beispiel: Die Buchhandlungen öffnen sich mit Lesungen, Spielen, Musik noch stärker als sonst - und sprechen so vielleicht neue Kunden an (Näheres unter www.bookuck.com - oder direkt beim Buchhändler Ihres Vertrauens). Gute literarische Gespräche können übrigens auch im Treppenhaus stattfinden, wie bei einem kleinen Festival mit Münchner Autoren von Asta Scheib bis Oliver Pötzsch in der Zenettistraße (10. bis 16. Juni, www.literatur-im-stianghaus.de). Oder im Omnibus: 100 europäische Autoren fahren derzeit in wechselnden Gruppen im Bus quer durch Europa, haben dabei jede Menge Gelegenheit zu quatschen und machen zwischendurch in München Station (10. Juni Rationaltheater, 11. Juni Lyrik Kabinett). Zwiesprachen kann man natürlich auch in Abwesenheit eines Gegenübers halten, wie bei der schönen gleichnamigen Reihe im Lyrik Kabinett, bei der demnächst der Lyriker Mirko Bonné über den Kollegen John Keats nachdenkt (15. Juni).

Wie sehr das Gespräch jedoch auch scheitern kann, lässt sich aktuell besonders gut bei Judith Hermann nachlesen. In ihrem neuen, so suggestiven wie soghaften Erzählband "Lettipark", den sie am 21. Juni im Literaturhaus vorstellt, geht es immer wieder um das Ungesagte, Ungefragte, Ungeahnte. Und, wie in der Geschichte über den einsamen Ricco, um eine besonders hohe Hürde in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Denn jener Ricco spricht und spricht und spricht immer nur selbst: "Das war das Problem - er konnte nicht zuhören." Eine weitverbreitete Krankheit, der schwer beizukommen ist - da hilft wohl nur die "School of life".

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