Vorschlag-Hammer:Glücksforscher

Was ist richtig, was ist falsch? Wer kennt das Maß, wer sagt einem das? Wie führt man ein gutes Leben? Das Dok-Fest hat Denkansätze zu bieten

Von Bernhard Blöchl

Die Träume sind großstadtgroß beim Dok-Fest. Das beginnt schon mit dem Eröffnungsfilm, Dream Empire, der vom chinesischen Seifenblasentraum erzählt, abgelegene Geisterstädte in globalisierte Megacitys zu verwandeln. Das verblüffende Lehrstück von den Grenzen des Turbokapitalismus hat zwei Protagonisten: die junge Agenturchefin Yana, die Ausländer in Chongqing für sogenannte "White Monkey Gigs" castet, um auf bizarr überdrehten Immobilien-Verkaufs-Shows potenzielle Käufer mit dem Schein der Internationalität zu blenden. Der andere ist der Regisseur des Dokumentarfilms selbst, David Borenstein, der die Ereignisse aus Sicht des amerikanischen Gastklarinettisten kommentiert (noch einmal zu sehen am 13. Mai, 16 Uhr, HFF). Großstadtgroß sind auch die Träume des Dok-Fest-Leiters Daniel Sponsel. Mehr Filme (157), mehr Zuschauer (die Rekordmarke 40 000 soll geknackt werden), mehr Spielstätten, und überhaupt: Gleich mehrere Male werde sein Festival im nächsten Jahr im Deutschen Theater gastieren, verkündete Sponsel bei der Gala vor einer Woche an ebendiesem schönen Ort. Außerdem träume er von einem "Palast des Dokumentarfilms", wie er verschmitzt hinzufügte.

Ob übertrieben oder sportlich, größenwahnsinnig oder ehrgeizig - was ist schon richtig, was ist falsch? Wer kennt das Maß, wer sagt einem das? Und: Wie führt man ein gutes Leben, die Frage aller Fragen. Auch dazu hat das Dok-Fest ein paar Denkansätze zu bieten. Wie sehr sich der Mensch nach Orientierung sehnt, zeigt der Film Leben - Gebrauchsanleitung. Darin begleiten die Regisseure Jörg Adolph und Ralf Bücheler Menschen vom Geburtsvorbereitungs- über den Gentleman- und Strip- bis hin zum Sargbaukurs (10. Mai, 9.30 Uhr, und 11. Mai, 19 Uhr, jeweils Atelier). Jonas Gernstl nimmt indes seine Facebook-Kontakte zum Anlass, sich einmal persönlich in den Leben der anderen umzuschauen. Der Film des Dreißigjährigen, 665 Freunde, ist eine Dokumentation über Lebensmodelle, Erfolg und Scheitern, kurz: über die Suche nach dem Glück (11. Mai, 20 Uhr, und 12. Mai, 9.30 Uhr, jeweils City).

Einer meiner Facebook-Freunde ist Robert Gwisdek, und der hat als Künstler einen herrlich Blick auf die Welt für sich entdeckt, ohne dabei je zu behaupten, das sei sie nun, die Wahrheit. Der Schauspieler und Romanautor (Lesetipp: "Der unsichtbare Apfel") lockt unter dem Namen Käptn Peng in surreale und philosophisch verrätselte Welten. Mit seiner tollkühnen Hip-Hop-Formation Die Tentakel von Delphi schlägt der Wortwirbelsturm gewordene Rapper in der Muffathalle "Das nullte Kapitel" auf, wie das aktuelle Album heißt (25. Mai, 20 Uhr). Großstadtgroße Sprachkunst ist das allemal, und wenigstens das ist gewiss: Gute Sprache macht jedes Leben besser.

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