Vorschlag-Hammer:Frühlingsgefühle

Letztens überkam mich eine ausgewachsene kulturpessimistische Depression. Da braucht es mindestens Kabarettisten wie Henning Venske, um mich zu kurieren

Von Oliver Hochkeppel

Obwohl doch endlich der schönste Frühling ausgebrochen ist, überkam mich neulich nach der Konferenz so eine schwere Melancholie. Von Auflagen- und Anzeigenschwund war da die Rede gewesen, und das bestätigte mir nur das zuletzt von verschiedenen Begegnungen angeregte Gefühl, zu den letzten einer Art zu gehören. Zu den letzten Jazzkritikern allemal, denn alle Kollegen sind gleichalt oder älter, und bis auf eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, scheint nichts nachzukommen. Wahrscheinlich sogar zu den letzten, die überhaupt seriösen Printjournalismus machen dürfen. Liest doch keiner mehr. So wie keiner mehr Kinofilme für Erwachsene schaut. Oder vernünftige Musik kauft. Eine ausgewachsene kulturpessimistische Depression also.

Zum Glück werde ich da schnell wieder herauskommen, in den Biotopen meines Letzten-Mohikaner-Daseins. Henning Venske wird in der Lach- und Schießgesellschaft (13. und 14. Mai) so hinreißend böse sein, dass sich mein Gemüt zwangsläufig aufhellt. Das könnte auch bei Udo Lindenberg in der Olympiahalle (17. Mai) passieren, dem Unverwüstlichen, der nach mancher Depression endgültig zum weisen Narr geworden ist, wie Konstantin Wecker das nennt. Denn auch Jugenderinnerungen helfen manchmal. In jedem Fall wieder gut wird es mir nach dem Konzert der großen Gesangsentertainerin China Moses in der Unterfahrt gehen (17. Mai, als Wirkungsbeschleuniger vorab böte sich Catherine Russell am 12. Mai an). Keine Depression kann sich halten, wenn - um François Truffaut abzuwandeln - auf der Bühne hübsche Frauen hübsche Dinge tun.

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