Vorschlag-Hammer:Exorzismus

Vor einigen Tagen war ich in Dresden. Und da ich dort ein wenig Zeit übrig hatte, schaute ich mir drei Ausstellungen an. In den Ausstellungsorten angeschlossenen Buchläden stieß ich wiederholt auf einen Band mit dem schönen Titel "Eine Amerikanerin in Hitlers Badewanne"

Von Egbert Tholl

Vor einigen Tagen war ich in Dresden. Und da ich dort ein wenig Zeit übrig hatte, schaute ich mir drei Ausstellungen an. Alle drei hatten Fotografien über den Krieg zum Thema, eine war eher künstlerisch-assoziativ kuratiert, eine zeigte die Maßnahmen, mit denen man während des Ersten Weltkriegs die Kunstschätze Venedigs vor Luftangriffen schützen wollte, eine präsentierte Fotografien von Robert Capa, aufgenommen in Europa 1943 bis 1945, also D-Day, Frankreich, Rhein, Kapitulation.

In den Ausstellungsorten angeschlossenen Buchläden stieß ich nun wiederholt auf einen Band mit dem schönen Titel "Eine Amerikanerin in Hitlers Badewanne". Das Buch hat Elisabeth Bronfen herausgegeben, und sie versammelt darin Fotos und Reportagen dreier amerikanischer Kriegsberichterstatterinnen, Lee Miller, Martha Gellhorn und Margaret Bourke-White. Alle drei konnten sich mit Sturheit, weiblicher Gewitztheit und nötigenfalls auch mit Härte in einer Männerdomäne durchsetzen, das ist allein schon erstaunlich genug. Dazu hatten sie teilweise ein Leben als Prominente hinter sich; Lee Miller etwa war Model, Muse und Geliebte von Man Ray, Martha Gellhorn war die Gattin Ernest Hemingways und kabbelte sich in der Folge mit ihm um die besten Akkreditierungen.

Die Frau nun in der Badewanne ist Lee Miller. Man sieht sie auch auf dem Buchdeckel, bekleidet, wie man halt in einer Badewanne bekleidet ist, also mit nichts; sie guckt neugierig aus der Wanne heraus und reibt sich die Schulter mit einem Waschlappen ab. Die Badewanne befand sich im Haus Prinzregentenplatz 16, in Hitlers Münchner Privatwohnung also. Seltsamerweise schreibt sie in ihrer Reportage nichts vom Baden, sie hat das Foto auch nicht selbst aufgenommen, ging ja kaum, sie saß ja in der Wanne. Aufgenommen hat es Millers Gefährte David Scherman, wie Bronfen in ihrem Nachwort schreibt, wobei sie sich auch lustig die ganze Fotosession vorstellt inklusive der Idee, Frau Miller hüpfte nackt aus der Wanne, Scherman hinein, und wusch sich darin den Kopf, was in dem Band auch dokumentiert ist. Am Rand der Wanne lehnt ein Foto Hitlers.

Vielleicht dachte Miller damals, 1945, nur an einen Scherz, als sie die Wanne aufsuchte. In ihrer Reportage beschreibt sie ausführlich und eher trocken die Wohnung und deren Geschichte und wundert sich ein wenig über den Mangel an irgendetwas Monströsem. Mit sich als Model jedoch erreicht sie die Privatisierung des Popanz, die wohltuende Banalisierung des Dämons. So nimmt sie dem besiegten Volk, das für sie fast nur aus Tätern besteht, die Ausrede, vom Teufel verführt worden zu sein.

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