Vorschlag-Hammer:Ducken vor Dylan

Lesezeit: 2 min

Es gibt Dylanologen und Donaldisten. Das sind jene Siebengescheiten, die ihr Leben einem Phänomen verschrieben haben, eben Bob Dylan oder Entenhausen

Von Michael Zirnstein

Schlotter! Bei manchen Themen geht mir die Muffe. Das liegt an jenen Lesern, die der Kulturjournalist fürchtet wie ein Fahrschüler den Führerscheinprüfer: Dylanologen und Donaldisten. Das sind jene Siebengescheiten, die ihr Leben einem Phänomen verschrieben haben, eben Bob Dylan oder Entenhausen. Ich habe zwischen sechs und 30 auch jede Woche "Micky Maus" gelesen und die Übersetzerin Erika Fuchs schätzen gelernt, die so schöne seltene deutsche Wörter wie "greinen" in den Sprechblasen aufploppen ließ. Aber wie dumm konnte ich sein, mich beim Münchner Comic-Festival in ein Gespräch über den "einzig wahren Donald-Zeichner Carl Barks" hineinziehen zu lassen und zu erwähnen, als Kind habe mir Don Rosa besser gefallen? Man sah mich kopfschüttelnd an, als hätte ich als Redner auf einer Hochzeit gesagt: "Seine Ex-Freundin hätte aber auch ganz gut zum Bräutigam gepasst. . ."

Folgerichtig weigerte ich mich, etwas zu schreiben, als das Deutsche Theater jüngst zu einer Podiumsdiskussion zu Bob Dylan lud. Ich besitze immerhin 14 Dylan-Alben, sein Skizzenbuch von 1956 bis 1966, die Autobiografie "Chronicles" und das Buch "Like A Rolling Stone" von Greil Marcus - 304 Seiten über ein einziges Musikstück! Aber schreibend halte ich mich aus Glaubensfragen heraus. Ich vermute, aus ähnlicher Furcht hat auch der Regisseur des Christian-Ulmen-Films Becks letzter Sommer Bob Dylan weitgehend ausblendet - in der Romanvorlage von Benedict Wells geistert der noch als Über-Vater durch die nach seinen Songs betitelten Kapitel. Gerne aber lese ich gute Dylan-Kritiken. Wie jene von Karl Bruckmaier, der beim Auftritt seiner Bobness in Bamberg auch hin- und hergerissen war zwischen "jenen Alleswissern, die auf Anhieb verstehen, wer und was gemeint ist, wenn ein Kuckuck durch eine Songzeile fliegt", und jenen, die ein verstörendes Konzert lang auf "Blowing in The Wind" warten. Letztere werden nicht enttäuscht werden (während erstere ja meistens etwas zu meckern haben), wenn im Deutschen Theater Dylan - The Times Are A-Changin läuft (29. Juli bis 2. August). Der Regisseur und Musiker Heiner Kondschak jedenfalls hat mich schon bei seinem Konzerttheaterstück über Rio Reiser in Ingolstadt mit seiner respektvollen und doch legeren Herangehensweise gepackt.

Was kann man in dem Zusammenhang noch empfehlen? Das Mini-Festival des Münchner Bob Dylan Phil Vetter in seinem Garten in Delling bei Wessling (25. Juli, 19 Uhr, Mühlstraße 5). Die Builders & Butchers aus Portland in der Milla (30. Juli), die dunklen Folkrock spielen, den man gewiss bis Newport zurückverfolgen kann. Und die Intellektuellen-Combo F.S.K., die im Rahmen von "10 Jahre Rote Sonne" am 29. Juli auftritt. Deren Mitglied und Autor Thomas Meinecke sagte mir einmal, er sei bei weitem nicht so schlau, wie seine Texte über die Pop-Kultur wirken. Sehr ermutigend. Hinweisen möchte ich auch schon auf das Konzert von Tocotronic am 14. November im Zenith. Nicht nur, dass deren überaus gebildeter Sänger Dirk von Lowtzow nicht davor scheut, Profanes wie die Vampir-Serie "Buffy" zu preisen. Tocotronic sind auch eine der wenigen Bands, denen in einer Donald-Duck-Geschichte gehuldigt wurde mit ausgedachten und doch typischen Lied-Zeilen wie: "Ich wohn nicht gern in diesem Land, hier mag ich nur das Dosenpfand."

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: