Vorschlag-Hammer:Das Ende der Zukunft

Bei seinem "Triadischen Ballett" ging es Oskar Schlemmer in letzter Konsequenz um eine Versöhnung von Ich und Welt. Davon sind wir heute weit entfernt

Von Antje Weber

Manchmal muss man in die Vergangenheit gehen, um die Zukunft zu sehen. So ging es mir, als ich vor zwei Wochen im Prinzregententheater endlich das rekonstruierte Triadische Ballett kennenlernte, das sich Oskar Schlemmer 1922 ausgedacht hatte (und das in diesem Jahr nur noch sehen kann, wer am 30. September nach Bonn reist). Was für fantastische futuristische Figuren da über die Bühne wandelten! Tänzer mit dicken Kugelarmen, Roboter mit drei Augen, metallglänzende Krieger. Dem Bauhaus-Künstler ging es dabei, so das Programmheft, um eine "Synthese von Organischem und Künstlichem", um eine "Lobpreisung der heilenden Wirkung der Technik", ja um eine Versöhnung von Ich und Welt.

Davon sind wir heute weit entfernt. Einmal davon abgesehen, dass wir vermutlich in eben der Zukunft leben, an die sich Schlemmer herandenken wollte: Wer heute Visionen der Zukunft entwickelt, dem fallen leider meist keine putzigen Kugelmenschen ein, sondern fiese Kampfmaschinen; die Orks aus "Herr der Ringe" sind schon das Mindeste, was Schriftsteller und Filmemacher aufbieten, um uns das Gruseln zu lehren. Zwar hat die Fantastik "nicht überall den besten Ruf", wie die Zeitschrift Krachkultur jüngst unkte, dennoch gieren die Menschen seit jeher danach, mehr über ihre Zukunft zu erfahren, ob aus Romanen von Stanislaw Lem oder Filmen wie "RoboCop".

In München hat der Autor Gregor Weber kürzlich im Roman "Stadt der verschwundenen Köche" seinen Helden auf eine Zeitreise in eine graue Stadt geschickt, deren freudlose, streng kontrollierte Bewohner an Aldous Huxleys "Schöne neue Welt" erinnern. Ungleich heftiger noch geht der Augsburger Thomas von Steinaecker in seinem neuen Roman "Die Verteidigung des Paradieses" zur Sache (Lesung am Mittwoch, 27. April, 19 Uhr, Literaturhaus). Sein jugendlicher Held hat eine Zukunft mit Modul-Städten, Garden-Zones und Entertainment-Walls bereits hinter sich: Er hat mit einigen wenigen Menschen eine Katastrophe überlebt und muss mit den Gefährten bald eine irre Odyssee antreten. Dabei stößt er auf mordende Mutanten, rettende Kaninchen-Toys - und eine erschreckende Selbsterkenntnis.

Letztlich muss man aber gar nicht Science-Fiction-Romane und -Filme bemühen, um eine Ahnung vom Horror der Zukunft zu bekommen: Die Realität ist mal wieder längst dabei, die Fantasie einzuholen. Angeblich, so konnte man jüngst mit Schaudern in dieser Zeitung lesen, steht beim Militär die dritte Revolution nach der Erfindung des Schießpulvers und der Atomwaffen bevor: Bald werden Killer-Roboter Kriege führen. Die Zukunft der Menschen ist dann endgültig Vergangenheit.

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