Vorschlag-Hammer:Bücherliebe

Bücher wegzugeben, bringe ich kaum übers Herz. Sie wegzuschmeißen noch viel weniger. Einmal habe ich es probiert, mit "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand". Das verfolgt mich bis heute

Von Christiane Lutz

Keine Ahnung, ob es anderen Menschen auch so geht, aber Bücher wegzugeben, bringe ich kaum übers Herz. Sie wegzuschmeißen noch viel weniger. Einmal habe ich es probiert, mit "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand". Ich hatte das Buch in einem literarischen Engpass steckend in einer Bahnhofsbuchhandlung gekauft und nach etwa einem Drittel genervt weggelegt. Zu doof, zu albern, und überhaupt: ein Elefant? Artig stellte ich es dennoch in mein Bücherregal, wo es mir fortan peinlich war. Beim nächsten Umzug schmiss ich es ins Altpapier. Um mal zu gucken, wie sich das anfühlt, Bücher wegschmeißen. Das verfolgt mich bis heute. Wem es ähnlich geht, der könnte den Bücherflohmarkt Lisar an der, richtig, der Isar besuchen (Samstag, 23. September, 9.30 bis 17 Uhr, Wiedenmayerstraße) und dort seine nicht mehr geliebten Bücher an jemanden mit einem großen Herz und einem noch größeren Bücherregal verkaufen. Dass man auch für einst teure Ausgaben meist nur noch vier, fünf Euro bekommt - geschenkt. Auszüge aus einem besonderen Buch gibt es am Montag, 25. September, im Literaturhaus zu hören. Der Comic-Künstler Reinhard Kleist hat dem Musiker Nick Cave zum 60. Geburtstag eine Graphic Novel gezeichnet. Nick Cave - Mercy On Me? heißt der Abend, an dem Kleist selbst in Text und Bild durch die Höhen und Tiefen von Caves Leben führt.

Mit Literatur im engeren Sinn hat das Oktoberfest, das seit vergangenem Wochenende wieder in München tobt, zwar wenig zu tun. Aber auch da gibt es tatsächlich kulturell hochwertige Veranstaltungen (Nein, keine Teufelsrad-Wettbewerbe und auch kein Biertisch-Schunkeln). Das Konzert von Mrs. Zwirbl zum Beispiel (Mittwoch, 20. September, 15 Uhr, Herzkasperlzelt, freier Eintritt). Die drei Musikerinnen gehören mit zum Besten, was die hiesige Musikszene zu bieten hat, sie machen wunderbare Musik, mal machen sie Blues, dann Volksmusik, mal graben sie uraltes Münchner Liedgut aus, an das sich höchstens noch der Hundertjährige erinnerte, läge er nicht im Altpapier. Wer sich kurz vor der Bundestagswahl noch einmal warmstreiten will (Nein, nicht beim Biertisch-Schunkeln!), dem sei die Demo un/bubbled pop Session empfohlen (Freitag, 22. September, 19 Uhr, Corvatsch, Flößergasse 6). Eine Diskussionsrunde der selbsternannten Jugendbewegung "Demo", bei der Münchner Erstwähler zum Beispiel über "Was ist dir wichtiger im Internet: Privatsphäre oder Followerzahl?" debattieren.

Wem das alles zu anstrengend ist, der bleibt halt einfach mit einem guten Buch zuhause. Aktuell lese ich übrigens Das Leben des Vernon Subutex von Virginie Despentes, in dem so schöne Sätze stehen wie: "Pedro hieß Pierre, aber er nahm so viel Kokain, dass er sich einen südamerikanischen Vornamen verdient hatte". Das Buch wird in meinem Regal bleiben dürfen.

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