Vorschlag-Hammer:Ausgezeichnet

Preise haben ihre eigenen Geschichten, und streiten kann man über sie im Einzelfall auch immer wieder trefflich

Von Antje Weber

Wie heiß ist dieser Preis? Viel ist bereits darüber diskutiert worden, ob die Robert Bosch Stiftung den Chamisso-Preis abschaffen darf (natürlich darf sie) und soll - natürlich soll sie nicht! Oder doch? Als der Chamisso-Förderpreisträger Akos Doma jüngst in der Seidlvilla nach seiner Meinung gefragt wurde, wand er sich ein bisschen. Dabei passt gerade das Werk des gebürtigen Ungarn, der seine Romane ganz selbstverständlich auf Deutsch schreibt, bestens ins ursprüngliche Konzept der Auszeichnung. Und wer weiß, vielleicht bekommt Doma für seinen feinen Roman "Der Weg der Wünsche" ja sogar den letzten Hauptpreis 2017 verliehen? Es wäre dem Buch, dem Autor zu wünschen. Dennoch: Etwas traurig ist der Gedanke an eine vermutlich wie immer glanzvolle, doch wehmütige Abschiedsfeier in der Allerheiligenhofkirche ja schon.

Preise haben ihre eigenen Geschichten, und streiten kann man über sie im Einzelfall auch immer wieder trefflich. Vielleicht nicht unbedingt über den Klaus-Michael-Kühne-Preis für das beste deutschsprachige Romandebüt, der jüngst an Dmitrij Kapitelman ging (28. November, Milla). Den Tukan-Preis für die beste Münchner Neuerscheinung, um im Preis-Namedropping fortzufahren, erhielt vor einigen Jahren Steven Uhly. Ob sein neuer Roman "Marie" ebenfalls preisverdächtig ist? Das sei dahingestellt; Uhly hat diesmal das Thema seines Bestsellers "Glückskind" remixt (6. Oktober, Lehmkuhl). Martin Mosebach muss sich solche Gedanken jedenfalls nicht mehr machen - wer wie er den Georg-Büchner-Preis bekommen hat, kann im Literaturbetrieb kaum noch eine Steigerung erwarten (4. Oktober, Literaturhaus). Eine simbabwische Autorin wie Petina Gappah hingegen muss es in unserer Welt leider schon als große Auszeichnung betrachten, dass ihr Debüt überhaupt ins Deutsche übersetzt worden ist (5. Oktober, Eine-Welt-Haus).

Was Bashing jeder Art angeht, so führt der Bachmann-Preis wohl die Hitliste an; Bashing gehört hier sozusagen konstitutiv dazu. In die Reihe der Provokateure reiht sich Stefanie Sargnagel, die am 1. Oktober im Volkstheater liest. "Was mach ich hier unter den ganzen Leseratten / ich sauf zehn Bier und kack auf ihre Käseplatten", dichtete sie 2015 als Beobachterin in Klagenfurt. 2016 erhielt sie als Teilnehmerin den Publikumspreis, und 2017 wird sie dort gar ein paar Monate als Stadtschreiberin hausen. Nun, da kann sie dann ihre zehn Bier mit etwas mehr Ruhe saufen. "Wer Bock hat zu motzen / darf öfter in den Wörthersee kotzen", könnte ich mich da jetzt reimend ranschleimen. Aber keine Sorge, ich will nun wirklich nicht nach Klagenfurt.

Es soll ja auch Schriftsteller geben, denen Preise völlig egal sind. Der Argentinier César Aira zum Beispiel tut zumindest so. Gerade erst hat er den renommierten Premio Iberoamericano de Narrativa Manuel Rojas erhalten, der mit 60 000 Dollar dotiert ist. Das könnte neben dem Konto ja auch das Selbstbewusstsein ein wenig aufbessern, sollte man meinen. Im Instituto Cervantes jedoch zeigte sich der Schriftsteller in der vergangenen Woche resistent gegenüber jeder Art von Lob. "Ich bin kein sehr guter Autor", murmelte er, und die beiden älteren Bücher von ihm, die an diesem Abend vorgestellt wurden, möge er sowieso nicht. Als ihn danach beim Hinausgehen eine Zuhörerin fragte, welches seiner mehr als 80 Werke er denn statt dessen empfehle, sagte er sinngemäß nur: "Lesen Sie lieber Kafka und Shakespeare." Koketterie oder Melancholie? Was auch immer es war: Da hilft kein Preis der Welt.

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