Vorschlag-Hammer:Akkordarbeiter

Anderen beim Arbeiten zuschauen, macht Spaß. Derzeit laufen im Kino zwei sehenswerte Dokumentationen, bei denen man prominente Musiker dabei beobachten kann, wie sie Blut und Wasser schwitzen

Von Bernhard Blöchl

Am Sonntag feierten Deichkind eine ihrer unwiderstehlichen Krawallpartys im Zenith. Die lustigste Hedonismus-Hymne der Band aus Hamburg heißt "Arbeit nervt", der Text darin geht so: "Seelenklempner, Viehbefruchter, Astronauten / würden gern im Weltraum schunkeln, schwofen, saufen / Profikicker, Paparazzi, Taxifahrer / Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers." Wir von der SZ sehen das selbstverständlich anders. Wir platzen schier vor Ehrgeiz und arbeiten rund um die Uhr. Nur für Sie. Dennoch gibt es Kollegen, die fahren bereits am Tag vor dem Feiertag den Rechner nicht mehr hoch. Für diese Spezies bedeutet ein Feiertag vor allem eins: zwei Tage frei. Die Zeitungssprache nennt dieses Kuriosum redaktionsfreier Tag, welcher in der Überlegung wurzelt, dass eine Tageszeitung in der Regel nur werktags erscheint, also korrekterweise Werktageszeitung heißen müsste, weshalb der gemeine Redakteur schon vor dem Feiertag nutzlos wird. Diesbezüglich ist diese Woche besonders delikat, weil es sich beim bevorstehenden 1. Mai um den Tag der Arbeit handelt, den Redakteure mit alten Verträgen doppelt feiern - indem sie doppelt faulenzen.

Oder sie schauen anderen beim Arbeiten zu, das macht bekanntlich noch sehr viel mehr Spaß. Derzeit laufen im Kino zwei sehenswerte Dokumentationen, bei denen man prominente Musiker dabei beobachten kann, wie sie Blut und Wasser schwitzen, sich auf der Bühne verausgaben wie Bastian Schweinsteiger im WM-Finale. Mülheim Texas und Brenna tuat's schon lang heißen die Filme über zwei eigenwillige Akkordarbeiter. Wer weder mit Helge Schneider noch mit Hubert von Goisern etwas anfangen kann, der findet vielleicht Gefallen daran, die jüngeren Bands beim Laut-Stark-Open-Air auf dem Marienplatz mit Applaus zu motivieren. Bei freiem Eintritt zeigen unter anderen die sprachgewandte Isar-Rapperin Taiga Trece, die niederländischen Ska-Rabauken Bazzookas und die Schweizer Polka-Propheten Palko! Muski, dass Arbeit nicht immer nur nervt, sondern auch Spaß machen kann - und der Tag der Arbeit auch (1.5., Beginn 17.30 Uhr). Energie beim Werkeln setzt vorher schon Jesper Munk frei (29.4., Muffathalle). Über den Münchner Songwriter muss man eigentlich nichts mehr schreiben, weil inzwischen die meisten wissen, dass sich der Bursche leidenschaftlich am Blues abarbeitet, als hätte er sein Praktikum bei Jack White mit Auszeichnung bestanden.

Erste Hürden auf dem Weg in den Kulturbetrieb haben auch die Talente beim Frühlings-Mix im Literaturhaus genommen, und dass Romanschreiben harte Arbeit und kein romantisiertes Vergnügen ist, weiß ich aus persönlicher Erfahrung. Als ich mein Debüt vor zwei Jahren ebendort präsentieren durfte, lernte ich Sarah Elise Bischof kennen, die im Publikum saß. Nun hat sie selbst ein Buch veröffentlicht: In "Panthertage" schreibt die schwedische Münchnerin über ihr Leben mit Epilepsie. Außerdem dabei bei diesem kurzweiligen Minifestival (29.4., 20 Uhr): Kristine Bilkau ("Die Glücklichen"), Lilian Loke ("Gold in den Straßen") und Jan Soeken ("Friends"). Ich werde auch hingehen und mich in die Geschichten der Kollegen entführen lassen. Arbeit kann man das nicht nennen. Höchstens ein bisschen. Eine der schönsten Arbeiten der Welt.

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