Vorschlag-Hammer:Ahnung und Vorurteil

Lesezeit: 1 min

Cellisten gelten als Intellektuelle, Geigern wird nachgesagt, dass sie zur Zickigkeit neigen und Bratscher stehen im Ruf, ihr Instrument nur deshalb zu spielen, weil sie für die Geige nicht gut genug sind. In der Wirklichkeit treffen dergleichen Typisierungen aber nur sehr selten zu

Kolumne von Harald Eggebrecht

Cellisten gelten nicht ganz zu Unrecht als Intellektuelle unter den Musikern, weil sie das eine oder andere Buch lesen und gelesen haben, gerne als Orchestervorstände dienen, programmatische Ideen haben können, ohne zu eifern, und auch sonst Vorstellungen von der Welt haben, die über den Podiumsrand hinausgehen. Doch im Großen und Ganzen treffen dergleichen Typisierungen sehr selten wirklich zu, weil sie mehr von Vorurteilen, Ignoranz oder dem Spaß an Spott und Häme leben. Violinisten hingegen neigen, so eine verbreitete Einschätzung nach obigem Muster, etwas zur Zickigkeit: "Zuviel hohe Töne am linken Ohr!", hat einmal der David Oistrach unserer Tage, Frank Peter Zimmermann, augenzwinkernd vermutet. Bratscher haben hingegen den vermeintlichen Malus, sie seien als Geiger nicht gut genug, davon erzählen ja auch die manchmal zu Lachtränen rührenden Bratscherwitze, die die Musiker selbst sorgfältig sammeln und mit Genuss erzählen. Schließlich kann keine andere Instrumentengruppe eine solche Fülle an zum Teil wirklich herrlichen Anekdoten und Verballhornungen bieten. In der Realität allerdings gibt es längst eine Phalanx von überragenden Violaspielerinnen und Bratschenmeistern auf diesem hinreißenden Instrument, angefangen bei der wundervollen Tabea Zimmermann bis hin zum Altmeister Yuri Bashmet.

Dass auch jenseits der Streicher alle Instrumente einen je besonderen Charakter haben, dem die Spieler insoweit entsprechen müssen, damit sie alle Geheimnisse ihres Instrument lösen können, leuchtet ein. Der große Cellomeister Janós Starker meinte, in vielem spielten die Musiker so, wie sie aussähen: David Oistrach oder Isaac Stern, rund und voll, Nathan Milstein elegant und klar, Pablo Casals bravourös und bodenständig, er selbst schlank und technisch hochbewusst. Auch bei manchen Dirigenten meint man, an der das Podium betretenden Gestalt gleich zu ahnen, wie das Orchester klingen wird. Aber da kann man sich gewaltig täuschen, auch wenn dieser was Oberlehrerhaftes an sich hat, jener als ehrliche Haut erscheint, ein anderer mehr als Finanzbeamter am Pult wirkt und wieder ein anderer den Scheitel auch beim Musikmachen rechts trägt.

In der kommenden Karwoche haben Johann Sebastian Bachs Passionsmusiken Hoch-Zeit. Zuvor fahren wir an diesem Sonntag ins Hotel La Villa in Pöcking, da spielen der Celloaltmeister Wolfgang Boettcher und einer seiner besten ehemaligen Studenten, nämlich Wen-Sinn Yang nebst dessen Schülern einen herrlichen Haufen Musik für vier bis acht Violoncelli.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: