Vorschau auf 2016/17:Zurück und vorwärts

lenbachhaus

"Föhrenwald" heißt dieses Bild der multimedial arbeitenden Künstlerin Michaela Melián.

(Foto: Lenbachhaus)

Die Jahrespressekonferenz des Lenbachhauses ist geprägt vom Angriff auf die Demokratie in Paris, die Werke des Blauen Reiters und das in Zukunft immer wichtigere Zusammenspiel von Musik und Kunst

Von Jürgen Moises

Ein fabelhafter Sommer, den Friedrich Wilhelm Plumpe im Jahr 1910 dort verbrachte, war der Grund dafür, warum sich der berühmteste deutsche Filmregisseur den Künstlernamen "Murnau" gab. Er war dort in die Theaterszene eingetaucht und in die Kunstszene um den Blauen Reiter, die er als große Befreiung empfand. Im Gegensatz zum restriktiven Elternhaus, das seine Homosexualität genauso wenig akzeptieren wollte wie seine Schauspiel- und Regieambitionen. Weil jedenfalls Murnaus beachtliche Filmkarriere, zu der unter anderem drei Preise bei der allerersten Oscarverleihung 1929 gehören, von der expressionistischen Malerei geprägt wurde; und weil es ihm mit Filmen wie "Nosferatu" gelang, den Expressionismus in die Filmwelt zu holen; deswegen widmet ihm das Lenbachhaus vom Oktober 2016 an eine Ausstellung.

Diese soll, wie Direktor Matthias Mühling bei der Jahrespressekonferenz der Städtischen Galerie im Lenbachhaus hervorhob, "keine Devotionalien-Ausstellung" werden. Sondern sie wird sich dem bedeutenden Regisseur vorwiegend mit filmischen Mitteln nähern, und zwar in Form von Filmessays. Namhafte Filmemacher wie Alexander Kluge oder Ulrike Ottinger haben als Akteure bereits zugesagt. Bevor die Rede auf Murnaus "fabelhaften Sommer" kam, bildeten die Einleitungsworte zur Pressekonferenz von Kulturreferent Hans-Georg Küppers dazu aber erst einmal das größtmögliche Kontrastprogramm. Denn nicht auf das "bestialische Massaker in Paris" einzugehen, das sei schlicht unmöglich, und zwar deshalb, weil dieses auch ein Angriff auf die "kulturelle, offene Gesellschaft" gewesen sei.

"Wir alle im Kulturbereich müssen dem trotzen, aber wir müssen trotzdem eine offene Gesellschaft bleiben", sagte Küppers. Und die Kunst sei dafür ein wesentliches Movens. Eine Aussage, die danach Matthias Mühling noch einmal bekräftigte. Man werde die Sicherheitsmaßnahmen nicht verstärken und sei sich sicher, "dass in so einem Haus wie diesem auch Demokratie verwirklicht wird", sagte er. In der Art wie in der Zusammenarbeit die Ausstellungen entstehen. Aber auch in der Art, wie die Gesellschaft in dieses Entstehen mit eingebunden wird. Das sei 2015 so gut wie nie zuvor im Lenbachhaus gelungen, wie auch überhaupt das vergangene Jahr eines der erfolgreichsten bisher gewesen sei. So seien etwa 2015 dreimal so viele Kinder und Jugendliche als in den Jahren zuvor im Lenbachhaus gewesen, die Zahl der Erstbesucher habe sich deutlich erhöht. Und die Tatsache, dass die Kuratorin Stephanie Weber für die von ihr verantwortete "Lea Lublin"-Ausstellung demnächst einen der wichtigsten Kuratoren-Preise bekommt, zeige außerdem, dass man auch in der Fachwelt die Arbeit des Münchner Lenbachhauses würdigt.

Zu dieser Arbeit gehört natürlich nicht zuletzt, das Erbe des Blauen Reiter zu pflegen. Das geschieht im Jahr 2016 indirekt über den Bezug zu Friedrich Wilhelm Murnau, aber auch ganz direkt unter dem etwas sperrigen Titel "Das ganze Werk, Kunst genannt, kennt keine Grenzen und Völker, sondern die Menschheit." Hinter diesem Zitat aus dem Almanach des Blauen Reiter verbirgt sich die für Besucher wichtige Botschaft: "Der Blaue Reiter kehrt zurück." Und zwar in Form sämtlicher Leihgaben aus der Sammlung, die vom 3. Februar an wieder zurück im Lenbachhaus und dort zu sehen sein werden. Teilweise aber an anderen Orten und in andere Zusammenhänge gesetzt. Denn das Zitat aus dem Almanach Ernst nehmend, werden Werke und Objekte aus der Volks- und Kinderkunst nun stärker in die Sammlung integriert. Zudem werden, um dem "grenzenlosen" Kunstverständnis von Kandinsky, Münter & Co. gerecht zu werden, historische Filme und Hörbeispiele in die Sammlung einbezogen, die Bezüge zur Musik von Arnold Schönberg, Alban Berg und anderer Komponisten herstellen.

Um Musik geht es auch in einigen Ausstellungen, die das Lenbachhaus 2016 zeigt. Dazu gehört etwa "Playback Room", die nach einer Idee und in Zusammenarbeit mit dem Fotografen und Künstler Wolfgang Tillmans entsteht und vom 16. Februar an zu sehen oder eher: zu hören sein wird. Präsentiert wird in "Playback Room" so genannte "Studiomusik". Das sind Musikstücke, die in und für Aufnahmestudios komponiert, dort eingespielt und zur Perfektion gebracht wurden, die aber außerhalb davon keinen eigentlichen Aufführungsort besitzen.

Genau zu einem solchen soll das Lenbachhaus werden, und zwar mithilfe der angeblich besten Hifi-Stereo-Anlage der Welt. Auch die mit "Electric Ladyland" betitelte Retrospektive zum 60. Geburtstag von Michaela Melián hat viel mit Musik zu tun. Denn das internationale Renommee der multimedial arbeitenden Münchner Künstlerin ist in Vielem eng verknüpft mit ihrer musikalischen Karriere, für die beispielhaft ihre Mitwirkung bei der einflussreichen Münchner Pop-Band FSK steht. Zu sehen ist die Ausstellung vom 8. März an.

Eine weitere Geburtstagsausstellung widmet sich dem deutschen Pop-Art-Künstler Thomas Bayerle. Der wird zwar erst im November 2017 80 Jahre alt. Dem Lenbachhaus ist das vom 13. Dezember an aber trotzdem schon eine Retrospektive wert. Einer großen Unbekannten der zeitgenössischen amerikanischen Kunst widmet sich vom 7. Juni an wiederum die Ausstellung "I made a terrible mistake": Rochelle Feinstein, die als eine Art "Mentorin" in Künstlerkreisen hohes Ansehen genießt, deren Werke darüber hinaus aber nur relativ wenigen geläufig sind. Ebenfalls eher unbekannte Künstler stehen bei "Favoriten III: Neue Kunst aus München" auf dem Programm. Hier werden wie auch in Teil I und II Arbeiten von Künstlern aus München und Umgebung gezeigt, die den Kuratoren besonders aufgefallen sind. Ob sie wirklich repräsentativ für die Münchner Szene sind, darüber kann und soll man sogar laut Matthias Mühling vom 26. Juli an streiten. Denn auch der Disput gehört schließlich zur Demokratie. So lange man ihn jedenfalls mit Worten austrägt, und nicht mit anderen Methoden.

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