Vorbericht:"Zwei maskuline, heterosexuelle Männer"

Die Choreografin Aszure Barton will mit "Adam is" mit dem Bayerischen Staatsballett gegen Vorurteile beim Tanz ankämpfen

Von Rita Argauer

Klischees sind hartnäckig. Besonders bei Geschlechterrollen. Ballett und klassischer Tanz leiden an solchen Klischees. Doch mit der Programmkonzeption von "In the Night / Sinfonie in C / Adam is" wirbelt man beim Bayerischen Staatsballett das alles gerade ein wenig auf. Denn für die erste Premiere dieser letzten Saison unter Ivan Liška beauftragte man die Choreografin Aszure Barton mit einem Stück, das neben Balanchines "Symphonie in C" und Jerome Robbins "In the Night" aufgeführt wird. Einzige Vorgabe: nur für männliche Tänzer.

"Ich hielt das für eine schöne Herausforderung", sagt Aszure Barton. Denn obwohl das klassische Ballett zwar immer noch als das Bild vom Mädchentraum existiert, ist der Tanz hinter den Kulissen eine von Männern dominierte Welt. Es gibt kaum Frauen, die in der ersten Liga der Choreografen mitspielen. Barton ist da eine Ausnahme. Die 1975 geborene Kanadierin wurde an der National Ballet School in Toronto ausgebildet, begann aber schon früh, selbst zu choreografieren. Im April 2014 arbeitete sie erstmals für das Bayerische Staatsballett, davor choreografierte sie für große Kompanien und auch am Broadway.

Sie arbeitet eher intuitiv als konzeptuell, und für ihre Männer-Studie "Adam is" gibt es keinen intellektuellen Überbau. Allerdings lag die Inspiration nahe: "Ich habe die Realität angeschaut und all die Männer um mich herum und dachte: 'An diesem Punkt fange ich an.'" Sie machte ihren eigenen Blick auf das andere Geschlecht zum Thema: "Ich begann, mir Fragen über Männer zu stellen." Und nun beantwortet sie diese in ihrem knapp 30-minütigen Stück für neun Tänzer auf eine unkonventionelle, aber auch erfrischend unverkopfte Weise. Als Bühnenbild dient ein riesiger Teddybär, die Musik von Curtis Macdonald ist stark perkussiv und benutzt männliche Stimmen, die archaisch dumpf grunzen, als Rhythmus-Element. Es sind einfache Bilder, die Barton bedient: Der Teddybär als Tröster für den einsamen Mann, Trommelbewegungen auf dem Körper in der Machtpose der Gorillas, ein schlichter, inniger Pas de deux - getanzt von zwei Männern. Die Kostüme sind dazu im Leo-Print: "Mir hat das Muster gefallen", sagt Barton, es sei mit den anderen Elementen ideal, um ein "sanftes und trauriges, wildes und romantisches, schönes und ein wenig animalisches Setting" zu schaffen.

Doch das geschlechtsspezifische Ungleichgewicht in der Ballettwelt steigert auch die Fallhöhe für Bartons Stück und dessen Realitätseinschlag. Schon, dass es nötig für sie ist zu betonen, den Pas de deux tanzten zwei maskuline, heterosexuelle Männer, zeigt, dass Vorurteile behandelt werden, als seien sie Gewissheiten. Doch Barton begegnet dem mit sanftem Humor: Der Teddy wacht hinten gutmütig über die Männer vorne, die sich in durch und durch menschlichen Handlungsweisen erproben: Kämpfen, Einsamkeit, Kuscheln oder ernste Intimität. Die Bühne erscheint wie hinter einem Schleier: "Damit es mysteriös ist", sagt Barton, die so subtil ein Bild moderner Männlichkeit entwirft.

Ein Schlüssel dafür ist für Barton die Partner-Szene. Ein Pas de deux gehört zum klassischen Standard. Die Rollenverteilung dabei auch: Der Mann hält und hebt die Frau und setzt sie in Szene. Diese Art des Vertrauens auf zwei Männer zu übertragen, die in ihrer bisherigen Karriere nur die eine Seite kannten, brachte Barton auf Ideen. "Es war toll, den Weg der beiden Tänzer zu einer vertrauensvollen Beziehung zu sehen", sagt sie, denn es gehe hierbei immer auch um Ehrlichkeit, sonst drohe die Gefahr des Melodramatischen. Die Tänzer Matej Urban und Jonah Cook hätten sich auf die ungewohnte Nähe eingelassen: "Sie hatten eine tolle Energie und keine Angst vor Intimität."

Der Pas de deux schließt den Kreis zu den anderen Werken des Abends: Denn Jerome Robbins choreografierte in "In the Night" drei - in den Geschlechterrollen ganz klassisch aufgeteilte - Partnerstücke zu drei Nocturnes von Chopin. Barton aber sagt: "Keine Trennung und Aufsplittung der Geschlechter, wir sind alle das gleiche, nämlich Menschen."

Adam is, Uraufführung: Sonntag, 20. Dezember, 19.30 Uhr, Nationaltheater, Max-Joseph-Platz 2

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: