Vorbericht:Gut im Geschäft

nikolaus brass

Im Auftrag der Bayerischen Staatsoper komponierte Nikolaus Brass „Die Vorübergehenden“.

(Foto: Astrid Ackermann)

Komponist Nikolaus Brass bei Meistersolisten im Isartal

Von Klaus Kalchschmid, Icking/München

Das faszinierende vierte Streichquartett von Nikolaus Brass (2008) ist eine einstündige Studie in leiser Magie und soeben in einer großartigen Aufnahme mit dem Ensemble Coriolis bei Neos erschienen. Das dramatischere, gut halbstündige sechste Streichquartett von 2015 folgte als Uraufführung mit dem Novus Quartett in Icking innerhalb der Kammermusikreihe "Meistersolisten im Isartal". Es setzt in drei Sätzen - nebst einem Intermezzo vor dem Finale - einer höchsten körperlichen Anspannung immer wieder erschöpfte Momente der "Überentspannung" (Brass) entgegen. Schon mit den später wiederkehrenden energetisch aufgeladenen "Hei"-Rufen der vier Männer zu Beginn wird ein deutliches Zeichen gesetzt. Der Expression steht allerdings oft - trotz mikrotonaler Reibungen - ein ganz klassischer Streichquartett-Satz entgegen, der sogar Schubertsches Melos aufgreift, etwa wenn dem Dialog von erster Geige und Cello rhythmisch pointiertes "Wandern" in den Mittelstimmen entgegensteht.

Der zweite Satz ist mit dem Titel von Kenzaburō Ŏes Roman "Licht scheint auf mein Dach" überschrieben, der das Leben des Autors mit einem behinderten Sohn beschreibt. Er beginnt mit einer ausdrucksvollen Elegie der Bratsche und reichert immer mehr Körperlichkeit an, bevor er sich schließlich in Flageolett-Glissandis und Trillern auflöst. Innerhalb des Streichquartett-Oeuvres von Brass - das als fünftes Werk eines für vier Streicher mit zwei obligaten Klarinetten umfasst - ist das vierte Quartett ein Solitär. Es erweist sich schon mit den Titeln der Sätze (Katalog der Erinnerung, symbolum crucis, quod est, Dialoghi d'amore und super omne) als ein fast sakrales Werk, das denn auch als musikalische Essenz und Referenzsystem die Chromatik eines musikalischen Kreuz-Symbols besitzt: mit den Tönen e, d, es, des, c.

Beim ARD-Musikwettbewerb 2016 wird, als Auftragswerk im entsprechenden Fach, das siebte Streichquartett seine Uraufführung durch diverse Semifinalisten erleben. Es darf höchstens acht Minuten dauern und schlägt damit den Bogen zu Brass' Studie "ohne Titel" von 1996. Auch gewichtige Vokalmusik aus der Feder von Nikolaus Brass wird im nächsten Jahr in München zu erleben sein: Der halbstündige Zyklus der "Tranströmerlieder" (2014) nach Gedichten des Nobelpreisträgers Tomas Tranströmer wird am 25. Februar mit dem Bariton Matthias Winckhler und Jan-Philip Schulze in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste uraufgeführt: "Sie sind so etwas wie eine Lebensbilanz, bewusst als sechsteiliger Zyklus komponiert, in dem der Text fast syllabisch gesungen wird, interpunktiert aber durch lange textlose Passagen", so der Komponist.

Ganz anders die Vertonung von Gedichten des in München lebenden persischen Schriftstellers Said, die am 30. Juni im Schwere Reiter uraufgeführt wird: In "Sei Nacht zu mir" sind "poetische, amouröse Miniaturen für zwei Violinen und Vokalisen eines Countertenors als kleine Geschichte durchkomponiert, während der Text an in der Partitur genau bezeichneten Stellen nur gesprochen wird. Und das bewusst von einer Frauenstimme (Ruth Geiersberger), obwohl ein männliches Ich von seiner Geliebten spricht."

Bei der Musica Viva am 22. Januar gibt es dann die Uraufführung eines Stücks für großes Orchester und Solo-Sopran, Sara Maria Sun, die auch schon in "Sommertag", Brass' Oper nach Jon Fosse, gesungen hat.

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