Vorbericht:Glücksmomente suchen

schaerer

Ein Stimmakrobat als Instruktor: Andreas Schaerer.

(Foto: Reto Andreoli)

Andreas Schaerer und die Münchner Philharmoniker

Von Oliver Hochkeppel, München/Berg

Es gibt mehrere gute Gründe, warum der Berner Andreas Schaerer derzeit der vielleicht interessanteste Vokalist der Musikszene ist. Was damit beginnt, dass der aktuelle Preisträger des Echo Jazz in der Sparte "Gesang international" weit mehr ist als nur ein Sänger und auch nur bedingt in die Schublade Jazz passt; Schaerer ist vielmehr ein Stimm-Jongleur, der sein Organ nicht nur in den verschiedensten Lagen und Stilen (vom klassischen Lied- bis zum Crooner- oder Scat-Gesang) erklingen, sondern - gerne mithilfe von Effektgeräten und polyphonen Loops - auch alle denkbaren Geräusche erzeugen und allerlei Instrumente bis hin zum Schlagzeug imitieren kann. Darüber hinaus ist er ein glänzender Komponist, was er bei den verschiedensten Projekten vom Duett mit dem Schlagzeuger Lucas Niggli bis zum unlängst beim Luzern Festival uraufgeführten 70-minütigen Werk für ein 66-köpfiges Symphonieorchester unter Beweis gestellt hat. Und schließlich verfügt er in reichem Maße über Charisma und die in der "ernsten Musik" eher seltene Gabe des Humors, was vor allem bei seiner Paradeband Hildegard lernt fliegen zur Geltung kommt.

Aus all dem folgt, dass man Schaerer als Idealbesetzung ansehen darf in der Gastrolle des finalen Teils der Musiksymposiums-Trilogie im Haus Buchenried der VHS München am Starnberger See. Veranstaltet wird sie von der Offenen Akademie der Münchner Volkshochschule gemeinsam mit dem "Spielfeld Klassik" der Philharmoniker und dem Kulturreferat. Gunter Pretzel, Bratscher bei den Philharmonikern und einer der abenteuerlustigsten und stiloffensten im Orchester, hatte seinerzeit die Idee, die Zusammenhänge zu ergründen, wie aus Musizieren Musikerlebnis werden kann. Ums Zusammenspiel ging es beim Auftakt im Januar 2014; vor einem Jahr befasste man sich unter dem Titel "Musik ist Idee" mit den Inhalten von Musik; und nun schließlich dreht es sich unter dem Motto "Musik ist Botschaft" vier Tage lang um das Verstehen in der Musik.

Zu den Gästen und Referenten gehören der Dirigent und Musikwissenschaftler Peter Gülke, der Philosophieprofessor Wolfram Hogrebe und Kammerspiele-Intendant Matthias Lilienthal. Und die Schlüsselfigur für die praktische Anschauung ist eben Andreas Schaerer. Der nahm einige seiner Kompositionen für das (klassische) Arte Saxofonquartett, eine Passage seines Luzern-Orchesterwerk und ein völlig neu komponiertes Trio für Harfe und Bass als Arbeitsgrundlage, um mit einigen Philharmonikern in kürzester Zeit ein Konzert zwischen Klassik und Jazz zu erarbeiten. Es sind dies die Geigerin Traudel Reich, die Bratschistin Beate Springorum, die Cellistin Sissy Schmidhuber und der Klarinettist Matthias Ambrosius, die in beiden musikalischen Welten beschlagen sind und bereits ein Symposium mit dem Blechblas-Anarchisten Matthias Schriefl und dem Avantgarde-Gitarristen Kalle Kalima absolviert haben. Dazu stößt für die erkrankte Teresa Zimmermann die Schweizer Experimental-Harfenistin Julie Campiche und Schaerers Perpetual-Delirium-Bassist Wolfgang Zwiauer. Beim schon lange ausgebuchten Symposium sucht man in öffentlichen Proben die Glücksmomente des gemeinsamen Musizierens. "Solch offener Umgang mit definierter Musik ist emotional interessant und mutig in einer Zeit, in der sich die meisten gerne hinter ihren Gartenzaun zurückziehen", sagt Schaerer.

Wie Begeisterung aufflammt und der musikalische Funke überspringt, kann man sicher auch beim Abschlusskonzert in der Unterfahrt erleben - und womöglich sogar verstehen.

Andreas Schaerer & Münchner Philharmoniker, Mi., 6. Januar, 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

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