Vorbericht:Die vergessene Königin

Vorbericht: Mit Genesis im Tourbus: Ingeborg Schober, vorne links mit Kamera, neben Steve Hackett, dem Gitarrist der legendären Band.

Mit Genesis im Tourbus: Ingeborg Schober, vorne links mit Kamera, neben Steve Hackett, dem Gitarrist der legendären Band.

(Foto: privat)

Musiker und Kollegen erinnern an Ingeborg Schober, Münchens erster Frau im männerdominierten Rockjournalismus

Von Dirk Wagner

"Sie hatte als Mädel damals keine Chance, aber sie nutzte sie - so könnte man den Spagat von Janis in der Männerdomäne Musikgeschäft bezeichnen", schrieb Ingeborg Schober im Vorwort ihrer Biografie über Janis Joplin. Jenen Satz könnte man aber auch auf die Autorin selbst übertragen. Denn auch sie hatte als Mädel in der Männerdomäne Rockjournalismus keine Chance - und nutzte sie. Dass sie in den Siebzigern die erste Rockjournalistin war, sei ihr erst bewusst geworden, als viel später eine zweite Frau in die Redaktion kam, hatte Schober in einer ihren vielen Lesungen gegen Ende ihres Lebens erzählt, mit denen sie ihren Lebensunterhalt kaum sichern konnte.

Sie, die im Bayerischen Rundfunk, in Musikzeitschriften, Tageszeitungen und der bei Rowohlt erschienenen Buchreihe "Rock Session" eine Popkultur vermittelte, die noch die Gesellschaft verändern wollte, kam in einer veränderten Medienlandschaft, die nun mit einer gesellschaftsstabilisierenden Popkultur um Werbekunden buhlte, aus der Mode. "Egal, mit wem ich sprach, ob mit Sandra Maischberger oder mit Fritz Egner, alle betonen, wie großartig und wie wichtig Ingeborg Schober war. Trotzdem konnte sie am Ende von den wenigen journalistischen Aufträgen, die sie noch hatte, kaum leben", schimpft die Begründerin der Kulturplattform jourfixe-muenchen, Gaby dos Santos. Sie gedenkt fünf Jahre nach Schobers Tod zusammen mit dem Komponisten Jon Michael Winkler, der Sängerin Claudia Cane und dem Fotografen Stefan Prager sowie zahlreichen Wegbegleitern in einer Multimedia-Collage der Autorin des ersten Buches über Amon Düül.

"Die Erkenntnis, dass die Intellektuellen Popmusik nicht ernst nehmen, trieb mich in die Opposition", wird Schober darin zitiert. Weil sie nicht spießig sein wollte, wusste sie sich in jener Opposition aber auch nicht gegen die vielen Menschen zu wehren, die Anfang der 1970er in ihrer WG am Goetheplatz den Kühlschrank plünderten und Bücher und Schallplatten klauten. "Die Subkultur hatte eine Form Schmarotzertum hervorgebracht, die jederzeit ideologisch belegbar war", resümiert sie selbst jene Phase ihres Lebens.

Rockstars führte sie nach deren Konzerten gerne in die Diskothek Sugar Shack, um dort als Gegenleistung für die prominenten Gäste, die den Tanzclub in einen internationalen Kontext rückten, das Büro nutzen zu dürfen. Dort schrieb sie ihre Konzertkritiken, um sie sodann wenige Meter von der Disko entfernt dem Nachtportier der Süddeutschen Zeitung zu übergeben. Weil es noch kein Internet gab, hätte sie sonst am frühen Morgen extra wieder in die Stadtmitte fahren müssen, um ihren Text zu liefern. Solcher Geschäftssinn zeigt eine gewitzte Schober, die so nah an Rockstars ran kam wie nach ihr kaum einer. Immerhin war ihre Art der Berichterstattung selbst Teil der von ihr vermittelten Rockkultur.

Ein Foto, das dos Santos im Nachlass fand, den Schobers Schwester Andrea Fink ihr für die Multimedia-Collage überließ, zeigt Schober 1975 im Tourbus mit Genesis. "Die rückseitige Notiz von Schober hatte ich erst als ,Germering' entziffert, was keinen Sinn ergab. Also stellte ich das Foto auf meine Facebook-Seite. Michael Sailer erkannte gleich, dass Steve Hackett von Genesis neben Schober sitzt", sagt dos Santos. Jenes Foto zeigt eine ziemlich glückliche Schober. Das Unglück, das sie später anzog, "um uns davor zu bewahren", wie ein Kollege mal scherzte, ahnt man hier noch nicht. Ob ihr Leben darum eine "Poptragödie" war, wie der Titel der Multi-Media-Collage behauptet, ist trotzdem fraglich. Mit einem etwas weniger trauernden Blick auf Schobers Leistungen für den Rockjournalismus im Besonderen und für die Rockmusik im Allgemeinen könnte eine solche Collage auch belegen, warum ein Rockmuseum, wenn es denn nur endlich den angemessenen Platz bekäme, eigentlich eine ganze Abteilung Ingeborg Schober widmen müsste.

Donnerstag, 25. 6. Blackbox/Gasteig: Ingeborg Schober - Eine Poptragödie. Beginn:19:30 Uhr

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