Vorbericht:Bombast aus dem Computer

video-game live

Wenn schon, denn schon: Was sonst oft ziemlich flau aus dem Computer schallt, soll live, mit entsprechender Lightshow, möglichst voluminös klingen.

(Foto: oh)

Der Amerikaner Tommy Tallarico gastiert mit seinen "Video Games Live" in der Münchner Philharmonie

Von Claus Lochbihler

Als Tommy Tallarico zehn Jahre alt war, stückelte er Soundeffekte aus Computerspielen am Commodore 64 zu einem Medley zusammen. Oder er nahm Musik aus Videospielen auf Kassette auf. Anschließend lud er Freunde zu sich ein und spielte zu den zusammengeschnittenen Klängen Luftgitarre.

Heute, knapp 40 Jahre später, macht Tommy Tallarico, geboren 1968, mit seinen "Video Games Live"-Konzerten eigentlich immer noch das gleiche. Nur ist alles sehr viel größer, professioneller und eher breitwandig geworden. Und die Freunde von heute - Fans von Computerspielmusik, die diese Musik gern live, im Kollektiv und im Klanggewand eines klassischen Orchesters hören - zahlen Eintritt wie bei einem großen Rock- oder Klassik-Konzert.

Die Idee, Musik aus Computerspielen wie klassische Musik aufzuführen, stammt aus Japan, dem Land, aus dem auch die unbestrittenen Superstar-Komponisten der Computerspielmusik stammen. Kōji Kondō etwa, der mit seinen nur drei Minuten Musik zu "Super Mario Bros." (1985) den ersten wirklich komponierten und integrierten Spielesoundtrack geschaffen hat - ein minimalistisches, millionenfach geliebtes Meisterwerk, das aus den beschränkten Möglichkeiten der 8-Bit-Ära und mit Elementen aus Jazz und Latin ohrwurmartige Schönheit schuf. Oder Nobuo Uematsu, dessen Musik zur "Final Fantasy"-Reihe zu den am häufigsten gespielten Werken von Games-Musik gehört.

Aus Japan stammt auch die Idee, Computerspielmusik sinfonisch in Konzertsälen aufzuführen: 1987 fand in der Suntory Hall in Tokio das erste sogenannte Spielemusik-Konzert statt. Von dort breitete sich die Idee weltweit aus. In Deutschland gab es das erste derartige Konzert 2003 im Leipziger Gewandhaus, in den USA gibt es mittlerweile studentische Universitätsorchester, die sich nur aus einem Grund formiert haben: um Computerspielmusik einzustudieren und aufzuführen.

Tommy Tallarico hat aus dieser Bewegung ein weltweites Geschäft und ein Multimedia-Spektakel gemacht: Wo andere Produzenten den vornehmen Ernst von Klassikkonzerten anstreben, veranstaltet der umtriebige Kalifornier, der seit 25 Jahren Computerspielmusik schreibt und produziert, ein multimediales Spektakel, einen Zirkus aus Klassik- und Games-Crossover, aus Lichtshow, interaktiven Spielelementen, Rock 'n' Roll-Gitarre und Cosplay-Wettbewerben, in denen der gewinnt, der sich am besten und originellsten als sein Lieblings-Avatar verkleidet.

Tallarico, der zu Armani-Anzügen gerne Superman-T-Shirts trägt, ist mehr als nur Geschäftsmann, Musiker und Komponist. Er verfolgt mit den weltweit jährlich 40 bis 50 "Video Games Live"-Konzerten auch eine Mission, die da lautet: Den Wert und die kulturelle Bedeutung von Computerspielen deutlich zu machen - via deren Musik. Und das nicht nur bei Gamern, die er davon ja kaum zu überzeugen braucht, sondern auch bei Nicht-Spielern. Deswegen auch die Klassik, dieser oft Carmina-Burana-meets-Hollywood-Blockbuster-Sound und eine pädagogische Mission in alle Richtungen: Junge Gamer will Tallarico mit "Video Games Live" für die Klassik gewinnen, Nicht-Gamer mit Orchesterklängen für Videospielmusik. Und damit für wirklich alle auch etwas dabei ist, spielt er, der mit Steven Tyler von Aerosmith verwandt ist, auch noch Rock-Gitarre.

Für Tallarico würde Beethoven heute - was sonst? - Videospielmusik komponieren, für ihn "die meistgespielte und meistgeliebte Musik auf der Welt". Mit Letzterem hat der Amerikaner wahrscheinlich sogar recht - nicht nur, was die Nutzungszahlen von Computerspielen im Vergleich mit Kino, Fernsehen und Radio angeht, sondern auch qualitativ. Bei Computerspielen ist es die Musik, die die Schwelle zwischen virtuellem und echtem Raum überwindet - weil Games-Klänge so echt sind wie Klänge und Musik in der nicht-virtuellen Welt. Und so ist es häufig die Musik, die dazu beiträgt, dass sich Gamer mit ihren Spielfiguren identifizieren. Kein Wunder also, dass viele die Musik, die das mit ihnen anstellt, irgendwann auch mal live mit all den anderen hören möchten.

Video Games Live; Mittwoch, 23. März, 20 Uhr, Philharmonie im Gasteig, Rosenheimer Str. 5

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: