Vorbericht:Alles, was es gibt

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"Die große Schau" im Volkstheater hat das Zeug zum Kultstatus

Von Christiane Lutz, München

Der Mensch mag, was er kennt. Das gilt für Essen und Musik genauso wie fürs Theater. Am Volkstheater versucht gerade ein junger Schauspieler, eine Serie zu etablieren. Gleicher Rahmen, aber stets neuer Inhalt. "Die große Schau" heißt dieses Theaterformat, ausgedacht von Leon Pfannenmüller, und findet am Montag zum dritten Mal statt. "Die große Schau" ist eine Mischung aus Late-Night-Show, Talk-Runde, Theater und Kneipenabend. Zu immer neuen Themen sind Experten zum Gespräch geladen. Drum herum gibt es Schauspieleinlagen, Lesungen, Spiele mit dem Publikum, Videoeinspieler, Freibier - und eine Raucherkabine. Natürlich gehört zur "großen Schau" auch Musik, die Münchner Band Haut ist mit ihren minimalistischen Techno-Klängen jedes Mal live dabei. Soviel zum Konzept.

Leon Pfannenmüller, 28, Ensemblemitglied am Volkstheater, hatte zunächst eigentlich nur den Wunsch, während der probenfreien Zeit kreativ zu bleiben. Er begreift seinen Beruf als aktiver Gestalter, nicht ausschließlich als schauspielendes "Funktionsrädchen. Ich wollte eine Plattform schaffen, einen Motivationspunkt für mich und die Kollegen, uns auszutoben", sagt er. Christian Stückl war sofort überzeugt. Bei der ersten "großen Schau" vergangenen Sommer war das Thema "Massenkultur", wegen der Fußball-WM; im Februar ging es um "Die Fastenzeit", jetzt heißt das Motto "Der Berg ruft", ein Abend zum anstehenden G-7-Gipfel in Elmau. In der Expertenrunde wird neben einer Aktivistin der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Vertretung der G-7-Gegner ein "Leadership-Coach" zu Gast sein: Silvia Pitz, ein Coach für Führungskräfte. Schauspieler lesen aus dem Stück "Top Dogs" von Urs Widmer, eine Geschichte über gefeuerte Manager. Für den Videoeinspieler haben Pfannenmüller und Kollegen in Elmau die Schauplätze des G-7-Gipfels gefilmt. Den Sicherheitsbeamten vor Ort erzählten sie, sie drehten ein Hochzeitsvideo. Für Leon Pfannenmüller und seine Kollegen in der Konzeption, Jakob Schreier und Bulgan Molor-Erdene von der Band Haut ist jede neue Folge auch ein Experiment: trial and error. "Wir versuchen noch zu präzisieren, wie wir uns einem Thema nähern", sagt Pfannenmüller. "Bei der ersten "großen Schau" war noch alles total assoziativ, jetzt versuchen wir eher zu reduzieren, uns festzulegen." Das Team um Pfannenmüller lernt also von Mal zu Mal dazu. Ein Ziel wäre, so Pfannenmüller, die Gäste tatsächlich ein echtes, moderiertes Streitgespräch führen zu lassen und sie nicht bloß zu ihrem Fachgebiet zu befragen. Auf die Frage, warum er überhaupt echte Experten einladen möchte, wo am Theater doch Schauspieler da sind, die viel exzentrischere Gäste spielen könnten, und echte Menschen auf der Bühne oft ungelenk wirken, sagt Pfannenmüller: "Weil das mein Traum vom Theater ist: dass es die Wirklichkeit berührt."

Mit Jakob Schreier, einer Zufallsbekanntschaft von Pfannenmüller, hat "die große Schau" einen Moderator, der den schwierigen Job intuitiv elegant bewältigt. Denn Schreier ist weder Schauspieler noch Moderator, sondern Drehbuch-Student an der HFF. Souverän führt er Gespräche mit den Gästen und geht spontan aufs Publikum ein. Unbezahlbar für "Die große Schau", denn ein Moderator ist, das weiß jeder, der ab und zu fernsieht, der entscheidende Faktor, ob eine Sendung gelingt oder nicht. Ob sie lustig ist oder peinlich.

Die Gefahr, dass "Die große Schau" willkürlich oder unvollständig wirkt, ist bei einem solch freien Format natürlich gegeben. Doch bisher gelang es Pfannenmüller, der ja gar kein Regisseur ist, gemeinsam mit seinem Dramaturgen David Heiligers die Abende auf erstaunliche Weise pointiert und dicht zusammenzubauen. Auch Moderator Schreier lässt sich nicht verführen von der Freude am selbst geschaffenen Witz. Er beendet Gespräche stets, bevor Redundanzen aufscheinen.

"Die große Schau" ist natürlich ein Herzensprojekt aller Beteiligten, die getrieben sind von der schieren Freude am Spiel und am Neuen. Für wenig oder gar kein Geld. Dabei entsteht ein vor guten Ideen überbordendes Format, das viel mit theatralen und TV-Formen spielt, aber doch etwas ganz Eigenes schafft. Der nächste Termin steht schon fest: am 19. Juli geht es um "Ferien für immer." "Die große Schau" könnte zur Lieblingsserie des Publikums werden. Das Zeug dazu hat sie.

Die große Schau, Montag, 1. Juni, 21 Uhr, Volkstheater, Brienner Straße 50, Tel: 523 46 55

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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