Von Trottas "Rosenstraße":Mädels im Märchenwald

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"Rosenstraße" will aus dem historischen Ereignis den beispielhaften Mut destillieren und verlangt vom Zuschauer starkes Engagement. Schön. Nur: ein solcher Ansatz passt eher in die Siebziger als ins neue Jahrtausend.

FRITZ GÖTTLER

Ein Ring wandert von Hand zu Hand, wird von der Mutter an die Tochter gegeben, von der Tochter der Mutter zurückgebracht . . . Ein zirkulärer Film, der, je weiter er fortschreitet, immer hermetischer wird. Der das große Melodram anvisiert, aber verfehlt. Das Thema kam bei diesem Film nicht von mir, erinnert sich Margarethe von Trotta, sondern es wurde mir gleich mehrmals, immer wieder, von außen angetragen. Von dieser Bewegung, von diesem Wechselspiel zwischen Filmemacher und Geschichte ist im fertigen Film wenig zu spüren. Von jener selbst auferlegten und durchgehaltenen Verunsicherung, die ein Erzähler braucht, um sich nicht der Macht der Fakten und dem Druck der Urteile auszuliefern. Der Film zielt aufs Statement, nicht auf die Selbstreflexion. Am Anfang werden, zu Beginn einer jüdischen Trauerwoche, die Spiegel verhängt im New Yorker Appartement einer Frau, die ihren Mann verloren hat und plötzlich ohne Vergangenheit dahockt.

(Foto: N/A)

Zehn Jahre etwa hat die Vorbereitung dieses Films gedauert, die Finanzierung, die Erarbeitung des Drehbuchs. Faszination stand am Anfang, über ein Beispiel persönlicher Courage in den Jahren des Naziterrors: wie ein paar Berliner Frauen es erzwingen, dass die Verhaftung ihrer Ehemänner - jüdischer Herkunft - rückgängig gemacht wird, und, womöglich, ihre Deportation verhindern. Treue, Hartnäckigkeit, Liebe sind hier im Spiel, der Tod soll keine Macht haben. Eine starke Geschichte, die ein wenig von ihrer Kraft verloren, als sie in den Trotta-Kanon zurückgeholt wird - Jutta Lampe spielt die trauernde Witwe, immer noch im Stil von einst, von "Schwestern" und "Die bleierne Zeit".

Mädchen, die sich im Märchenwald der Siebziger verirren, davon wollte Margarethe von Trotta einst erzählen, von Frauen, die das Träumen zusammenbringen wollen mit dem Leben. In den Filmen, die sie später dann im Ausland machte, kommt eine Vielfalt der Empfindungen ins Spiel, die das Melodram als politisches Filmgenre erforscht. Mit der Arbeit an den dem Fernseh-Vierteiler "Jahrestage" hat sich diese Perspektive wieder radikal verengt.

Mit dem Raum, den ihr in der "Rosenstraße" der Kameramann Franz Rath öffnet, kann Margarethe von Trotta wenig anfangen. Ihre Frauen sind, bis auf Katja Riemann, zu sehr auf Sicherheit bedacht. Und Maria Schrader will erneut glauben machen, dass Verunsicherung im Blick ein starkes Zeichen für subtile Selbsterforschung sei.

Nicht politisches Kino machen, so lautet die alte Forderung Godards, sondern politisch Filme machen. "Rosenstraße" will aus dem historischen Ereignis den beispielhaften Mut destillieren und verlangt vom Zuschauer starkes Engagement. Nur einmal, in der mise en scène der Goebbels-Szene, wagt sich der Film auf ungesichertes Gelände, auf Melodramen-Terrain in der Tradition von Fassbinder und Sirk, auf die verschlungenen Pfade, die durch "eine Zeit zu lieben und eine Zeit zu sterben" führen. Die junge, mutige Lena - Katja Riemann - tritt vor den Spiegel, die Zeit hält inne und die Einheit ihrer Person, ihres Handelns bricht auf. Da erinnert sie an die junge Margarethe von Trotta, die Frau in "Strohfeuer", den sie mit Volker Schlöndorff drehte, vor dreißig Jahren. Maulwurfsarbeit, hat Frieda Grafe ihr damals attestiert: Auf die Löcher kommt es an, nicht auf die Haufen.

ROSENSTRASSE, D 2003 - Regie, Buch: Margarethe von Trotta. Mitarbeit am Buch: Pamela Katz. Kamera: Franz Rath. Schnitt: Corina Dietz. Musik: Loek Dikker. Mit: Katja Riemann, Maria Schrader, Martin Feifel, Jürgen Vogel, Jutta Lampe, Doris Schade, Fedja van Huèt, Carola Regnier, Jutta Wachowiak, Jan Decleir, Lena Stolze, Hans-Peter Hallwachs, Gaby Dohm, Martin Wuttke. Concorde, 135 Minuten.

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