Videokunst:Jubiläum mit Einschränkungen

Videokunst: Tschüss und hallo: Während in Oberföhring das Haus repariert wird, läuft an der Prinzregentenstraße Videokunst aus der Sammlung Goetz, hier Tabea Blumenschein in "Bildnis einer Trinkerin" von Ulrike Ottinger.

Tschüss und hallo: Während in Oberföhring das Haus repariert wird, läuft an der Prinzregentenstraße Videokunst aus der Sammlung Goetz, hier Tabea Blumenschein in "Bildnis einer Trinkerin" von Ulrike Ottinger.

(Foto: Sammlung Goetz)

Sammlung Goetz zeigt "Generations II" im Haus der Kunst, in Oberföhring rücken die Bauarbeiter an

Von Evelyn Vogel

So schön hatte man sich das ausgedacht: Mit einer dreiteiligen, die Künstlerinnen dialogisch in den Mittelpunkt stellenden Schau wollte die Sammlung Goetz in diesem Jahr ihr 25. Jubiläum feiern. Teil eins eröffnete im Februar im Haus in Oberföhring, dem Ort, mit dessen Bau Ingvild Goetz den Wandel von der Privatsammlung in eine öffentliche begonnen hatte. Teil zwei startete gerade eben im ehemaligen Luftschutzkeller des Hauses der Kunst, jener Institution, mit der die Sammlung seit einigen Jahren eine intensive Zusammenarbeit bei der Videokunst pflegt. Und Teil drei sollte dann von September an bis Ende des Jahres in Oberföhring die Jubiläums-Trilogie beschließen.

Sollte. Wird sie aber nicht - so wie die Dinge derzeit liegen. Die geplanten kleineren Maßnahmen zur Gebäudeinstandhaltung haben sich offenbar derart summiert, dass der erste Teil der Trilogie bereits beendet werden musste. Wie das zuständige Bauamt mitgeteilt hat, sind "neben kleineren Eingriffen im Inneren vor allem eine Neuimprägnierung der Holzfassade vorgesehen, die aufgrund des Baustellenbetriebs und der umfangreichen Arbeiten eine frühere Schließung des Sammlungsgebäudes erforderlich macht". Der dritte Teil muss auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Weder die Sammlung Goetz noch das Bauamt können im Moment sagen, wann in Oberföhring wieder geöffnet wird.

So bleibt im Moment nur der Auszug aus der Videokunstsammlung, die in den Luftschutzkellerkabinetten unterm Haus der Kunst gezeigt werden. Aber was heißt da "nur". Bekanntermaßen ist das ja ein Schwergewicht der Sammlung und ein scheint's nie versiegender Quell, aus dem schon einige Arbeiten im ersten Teil der Trilogie im Base 103 in der Sammlung Goetz gezeigt wurden. Aus der Fülle des Materials haben die Kuratorinnen Cornelia Gockel und Susanne Touw von der Sammlung Goetz für diese Präsentation Werke von Geta Brătescu, Nathalie Djurberg, Tracey Emin, Aneta Grzeszykowska, Mona Hatoum, Yayoi Kusama, Ulrike Ottinger, Pipilotti Rist, Ulrike Rosenbach, Sam Taylor-Johnson und Rosemarie Trockel ausgewählt, in denen die Künstlerinnen auf unterschiedliche Art die Rolle der Frau und Identitäten hinterfragen und die Wahrnehmung des Körpers untersuchen.

Letzteres steht im Vordergrund beim "Pickelporno" von Rist, einer experimentellen filmischen Annäherung an einen Geschlechtsakt. Oder bei Hatoums "Deep Throat". Diese Arbeit ist eine Art installatives "Tischlein deck dich", bei dem die visuellen Ergebnisse einer endoskopischen Kamerafahrt durch den Verdauungstrakt im Wortsinn auf dem Teller serviert werden. Dabei reflektiert Hatoum zudem Männerfantasien, denn sie bezieht sich auf den Pornoklassiker "Deep Throat", in dem die Hauptdarstellerin Linda Lovelace ausschließlich über Oralsex zum Orgasmus kommt. Dazu passt Kusamas 1967 nach einer Performance entstandener Experimentalfilm "Self-Obliteration", in dem sie die Befreiung von bürgerlichen Lebens-, Sexual- und Moralvorstellungen in ein psychedelisches Filmereignis überführt. Wie ein Gegenentwurf könnte man Djurbergs Stop-Motion-Film "Turn into me" sehen, bei dem sie mit Knetmasse das schaurig-schöne Sterben einer Frau im Walde inszeniert.

Politischer wirkt eine andere Arbeit von Hatoum, der "Verhandlungstisch". Konzeptuell Getas Hand-Spiele in "2x5" oder Grzeszykowskas "Headache". Auch Trockels Mini-Filmchen "Pausa" wirkt stark konzeptuell, er hätte ebenso gut zum Thema der Materialaneignung im ersten Teil der Trilogie gepasst. Er passt aber zur Untersuchung der Rolle der Frau in der Gesellschaft, der sich Rosenbach mit ihrer Arbeit "Zeichenhaube" widmet. Ebenso wie Enim, die in "The Scream" eine persönliche Auseinandersetzung mit den Forderungen von Abtreibungsgegnern nach dem Diebstahl "Der Schrei" von Munch in Szene setzt. Eine sehr abstrakte filmische Körperperformance ist von Sam Taylor-Johnson (ehemals Wood) zu sehen. Der Film "Knackered" lebt von der irritierenden Bild-Ton-Verschiebung.

Das Highlight der Ausstellung ist aber zweifelsohne der Film "Bildnis einer Trinkerin" von Ulrike Ottinger aus dem Jahr 1979, Teil ihrer zwischen 1979 und 1984 entstandenen Berlin-Trilogie. Etliche der Darsteller standen in jener Zeit auch bei Herzog, Fassbinder und Schroeter vor der Kamera. Die Musik lieferte unter anderem Nina Hagen. Hinreißend Tabea Blumenschein in der Hauptrolle der "Sie", die sich bei ihren Gelagen mit der Frau vom Bahnhof Zoo quer durch das West-Berlin der Siebziger säuft. Ein wunderbares Soziogramm einer Stadt und ein augenzwinkerndes Porträt einer Zweckgemeinschaft von Frauen, die sich diametral gegenüber stehen und deren Handeln von Figuren wie "Soziale Frage", "Exakte Statistik" und "Gesunder Menschenverstand" hinterfragt werden. Mit 107 Minuten sprengt der Film jedes Videokunstformat - wie viele von Ottingers Filmen, die ebenso in einer Ausstellungshalle wie im Kino gezeigt werden. Im Kabinett unterm Haus der Kunst eine echte Perle.

Generations Part 2, Künstlerinnen im Dialog, Sammlung Goetz im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, bis 27. Januar 2019, Do. 10-22 Uhr, Fr.-So. 10-20 Uhr

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