Vanity Fair bekämpft Image-Verlust:Tiefer stapeln

Politik, Promis, Kultur - aber weniger aggressiv: Nach Schleuderpreisen und Eisbären soll bei der deutschen "Vanity Fair" mit Nikolaus Albrecht Stabilität einziehen.

Claudia Tieschky

Das Haus Unter den Linden Nummer 10 ist oft beschrieben worden, als im Februar 2007 die deutsche Vanity Fair startete. Es passte einfach so gut: Im Erdgeschoss Ferrari, oben Ferrari-Liebhaber Ulf Poschardt, der als Chefredakteur beim Verlag Condé Nast (Vogue, AD) wöchentlich ein "neues Magazin für ein neues Deutschland" machen wollte.

Vanity Fair bekämpft Image-Verlust: Für zwei Euro und ohne Extras wie CDs oder DVDs: Vanity Fair will weg vom Schleuderpreis-Kurs.

Für zwei Euro und ohne Extras wie CDs oder DVDs: Vanity Fair will weg vom Schleuderpreis-Kurs.

(Foto: Foto: Condé Nast Verlag)

Das war ein publizistischer Anspruch, der es nicht nur mit Bunte, sondern auch mit Stern und Spiegel aufnehmen sollte. Das brachte Aufmerksamkeit, doch wofür die Neuerscheinung aus Berlin eigentlich stehen könnte, wurde nicht klar: für Eisbär Knut, der mal aufs Cover kam?

Für den Schleuderpreis, zu dem das Wochenheft meist zu haben war? Für einen großen wirtschaftlichen Angriff auf Focus aus dem Hause Burda, auf Gala von Gruner+ Jahr - oder doch auf Titanic?

Unten ist immer noch Ferrari, oben ist seit Januar Nikolaus Albrecht, 39. Mit ihm als Chefredakteur soll Vanity Fair aus der Krise kommen, das ist wichtig für Bernd Runge, den ehrgeizigen 47-jährigen Geschäftsführer Condé Nast Deutschland. Für das New Yorker Unternehmen der Verlegerfamilie Newhouse agiert er auch als Vizepräsident Condé Nast International, und bei Neuheiten machte er bislang wenig Fehler.

In Deutschland führte Runge 2001 das erfolgreiche Pocketheft Glamour ein, das Albrecht zuletzt geleitet hatte und das bei seinem Weggang laut Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) am Kiosk 244000 Exemplare verkaufte. Vanity Fair setzt laut IVW aktuell 40100 Abos ab, 42400 Bordexemplare und beim Einzelverkauf gerade mal 80100 Stück.

Keine schöne Zahl verglichen mit dem Kioskverkauf von 106900 Stück im Herbst 2007, als der Verlag zum ersten Mal die Verkaufszahlen meldete und das Heft noch immer mit Sonderaktionen unter die Menschen brachte. Nicht nur bei der Konkurrenz sagen einige, mit den dauerhaften Spezialangeboten habe der Verlag dem Heft geschadet, mit den Ein-Euro-Nummern und all den draufgepackten DVDs sei künstliche Auflage erzielt worden, die zwangsläufig absacken musste.

Pressegrossisten berichten von Nummern, die angeblich weniger als 40000 Stück verkauften. Vermutlich auch deshalb gibt sich die Konkurrenz inzwischen extrem leger. Peter Levetzow, Geschäftsführer der Burda People Group, kommentiert, vielmehr als mit dem Condé-Nast-Titel beschäftige man sich bei Bunte mit digitaler Vernetzung. Auch andere aus der Branche wollen Vanity Fair anfangs sehr genau verfolgt haben, "inzwischen aber nicht mehr".

Tatsache ist: In das Projekt ist viel Verlagsgeld geflossen, um die 50 Millionen wurden vorab investiert, doch der britische Guardian schrieb im Februar: Runges Projekt sei derart am Ende, dass es sogar den Ruf der amerikanische Muttermarke schädigen könnte. Wenn Runge jemals eine Erfolgsstory nötig hatte, dann jetzt.

Blankgeputzte, amerikanischere Heftcover

Am Montag der vorigen Woche - das Heft ist in der Schlussphase - trägt Nikolaus Albrecht Jeans und Hemd, wirkt wie jemand, der damit rechnet, dass in der nächsten Minute siebzehn pragmatische Entscheidungen auf ihn zulaufen, und der sich ausgesprochen wohl damit fühlt. Albrecht hat nach acht Jahren Frauenzeitschriften-Karriere nicht einmal einen Eintrag bei Kress-Köpfe, dem Darstellerverzeichnis des Medienjahrmarkts, jetzt leitet er das Blatt, das einmal so etwas wie das Zentralorgan der Berliner Eitelkeitsrepublik werden wollte.

Dort agierte er lange so unauffällig wie ein Statthalter, schreibt keine Editorials, nicht mal, als im Mai der Zusatz "kommissarisch" vor seinem Namen im Impressum verschwunden war. Es sei ja nicht so, "dass dieses Heft vorher überhaupt nicht funktioniert hat", sagt er verbindlich, und vielleicht hat man das ja auch einfach falsch verstanden.

"Nur im Detail" gewichte man anders, sagt Albrecht, der wir es anders." Bleiben soll die Themenvielfalt von Politik, Wirtschaft, People, Stil und Kultur. Albrecht sagt: "Mein Auftrag ist jetzt erstmal, ein verlässlich gleichbleibend gutes Heft zu machen. Letztendlich wird man dann sehen, was sich bei den Zahlen tut, und wie die Anzeigenkunden es annehmen".

Tiefer kann man kaum stapeln, aber von unten kann man sich besser steigern und auch Nikolaus Albrecht muss irgendwann eine Erfolgsstory präsentieren.

Mit dem neuen Mann von der schnellen Eingreiftruppe kam eine neue Heftstruktur, weil der alte Rhythmus nicht die "optische Opulenz zuließ" die Albrecht bei Magazinen wichtig findet, wie er sagt. Die Heftcover wirken neuerdings wie blankgeputzt, amerikanischer, auf Niveau konventioneller. Gut erkennbar setzt Vanity Fair nach Poschardts Jahrmarkts-Freistil auf Wiedererkennungswerte und Bildsprache.

In der amerikanischen Vanity Fair, sagt Albrecht, seien "Bilder entstanden, an die sich wirklich jeder erinnert. Es war ein Wunsch des Verlags, dass auch die deutsche Vanity Fair mehr Bilder produziert, an die man sich erinnert." Vielleicht wird ja dann eines Tages langsam das dickste Bild verblassen, das Vanity Fair Deutschland bislang produziert hat: Ulf Poschardt.

Zur Geschichte des Magazinmanns Albrecht gehört, dass er schon in der Glamour-Gründungstruppe um Chefredakteurin Bettina Wündrich bei Condé Nast arbeitete, dass er stellvertretender Chefredakteur war, als Glamour 2003 von monatlicher Erscheinung auf 14-täglich umstellte und dabei die Auflage pro Heft hielt, und später als stellvertretender Chefredakteur zum Luxusobjekt Vogue ging.

Albrecht ist unter den Magazinmachern des Landes vermutlich derjenige, der die Marke Condé Nast am besten versteht. Seine Berufung insofern für Runge eine sichere Bank. Nikolaus Albrecht hat außerdem die Münchner Journalistenschule absolviert, er hat vor seiner Condé Nast Karriere für das Jugendmagazin Jetzt gearbeitet, er ist als Praktikant staunend bei der legendären jüdischen Emigrantenzeitung Aufbau gewesen, er hat als freier Autor in New York gelebt.

Er traut sich zu, dass er mehr kann als das Stil-Repertoire, aber Stil spricht ihm keiner ab. Es sei unglaublich, dass es jemand mit so tadellosen Manieren wie er so weit bringen konnte, sagen manche über ihn.

Der Preis soll mittelfristig steigen

Das aktuelle Heft zeigt den blendend jungen Paul Newman auf dem Cover, im Heft steht ein vorgezogenen Nachruf auf den schwer krebskranken Schauspieler: Eine Seite Text, fünf Seiten Fotos. Außerdem spricht Franka Potente über ihre Verlobung, Boris Becker bekennt sich zu seiner neuen Liebe und Willy Bogner reportiert von der Krönung des Königs von Tonga: "Als bleibender Eindruck werden uns die immer freundlichen, fröhlichen Südseebewohner begleiten."

Derzeit ist das freundliche Südsee-Gefühl von Vanity Fair für zwei Euro zu haben. Verlagsmanager Wolfgang Winter, der als Publisher agiert und ebenfalls von Glamour kam, will auch tiefer stapeln und künftig "auf extrem aggressive Angebote verzichten". Allen sei klar gewesen, "dass Vanity Fair kein Tagesausflug ist.

Unser Ziel ist es, die Marke zu entwickeln. Wir möchten das innerhalb von fünf Jahren erreichen." Das Heft sei "runder, glatter und eleganter geworden, das macht es für Frauen attraktiver." Der Preis soll mittelfristig steigen. Winter spricht davon, dass Albrecht "nach der guten Vorleistung von Herrn Poschardt" eine "zweite Entwicklungsstufe zünden konnte". Neues Understatement: Bei der Zündung von Stufe eins ist jedenfalls viel verpulvert worden und vielleicht gehörte es sogar zum Kalkül, das ganz große Feuerwerk abzubrennen.

Übrig geblieben ist zum Beispiel der "Special Correspondent" Alexander von Schönburg. Der Graf hat auch mal Park Avenue (Gruner + Jahr) geleitet, auch ein Magazin, das die deutsche Vanity Fair sein wollte und jetzt irgendwie Park Avenue ist, mit einem Chefredakteur, der aus der Führungsspitze der Bild-Zeitung rekrutiert wurde. Das Monatsheft Park Avenue wird in der Branche von allen Seiten gelobt, aber verkauft aktuell am Kiosk 14231 Stück.

Neulich schaute Si Newhouse in der Berliner Redaktion vorbei. Der Verlagspatriarch aus New York riet, Geschichten öfter mit doppelseitigen Bildern zu beginnen. Der freundliche 79-Jährige hilft gern mit Erfahrungswerten: Nachdem Vanity Fair 1929 in den USA gescheitert war, gründete Newhouse das Heft in den Achtzigern neu, damals verschliss das Projekt mehr als einen Chefredakteur. Vermutlich auch deshalb wird Albrecht über Doppelseiten nachdenken.

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