Vandalismus:Geschwärztes Gedenken

In Leipzig wurden Stelltafeln zum Werk der jüdischen Fotografin Gerda Taro beschmiert. Bis die neuen fertig sind, bleiben die alten stehen: als Mahnmale.

Von Sofia Glasl

Die Kuratoren erfuhren es aus der Zeitung.

Die Stelltafeln mit Fotos von Soldaten und Geflohenen im spanischen Bürgerkrieg waren von Unbekannten mit Teerfarbe überstrichen worden. Jedes einzelne Bild, jede Information über Leben und Werk der jüdischen Kriegsreporterin Gerda Taro wurde geschwärzt - wie Zensurbalken stehen sie nun vor der Baumreihe der Straße des 18. Oktober in Leipzig.

Jan Wenzel und Anne König, die beiden Kuratoren des f/stop-Festivals für Fotografie, das in diesem Sommer stattfand, hatten das Flüchtlingsthema ins Zentrum des Festivals gestellt, da durfte Gerda Taros Werk nicht fehlen. Die Sozialistin war im Jahr 1933 nach ihrer Verhaftung durch die Nazis aus Leipzig nach Frankreich geflohen und hatte sich in Paris neu erfunden. Sie wurde Fotografin und avancierte zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Ungarn Robert Capa, zu den wichtigsten Kriegsberichterstattern ihrer Zeit. Das Paar dokumentierte die Gräuel des spanischen Bürgerkriegs und machte früh auf die Tausenden Flüchtlinge aufmerksam. Taro starb 1937 in einem Gefecht in Spanien.

Mit den Stelltafeln, die dem Werk dieser großen Dokumentaristin gewidmet sind, ging das Leipziger Festival erstmals in den städtischen Raum. Sie wurden nicht weit von der Tarostraße gezeigt, die seit 1970 nach der Fotografin benannt ist. Die positive Resonanz, so Wenzel, habe die Kuratoren und die Stadt dazu bewogen, das Taro-Display nicht abzubauen, sondern dauerhaft stehen zu lassen.

Der Vandalismus, so meint Jan Wenzel, sei politisch motiviert. Auch ein Sprecher der Polizei in Leipzig bestätigt, dass die planvolle Vorgehensweise der Täter gegen das Werk einer jüdischen Fotografin, die sich mit Flucht und Vertreibung beschäftigte, diesen Schluss nahelege. Daher habe das Dezernat Staatsschutz die Ermittlungen übernommen, bis dato gebe es aber noch keine Ergebnisse. Da das Kunstwerk in einem Wohngebiet steht, sind die Anwohner jetzt dazu aufgerufen, jede Beobachtung und jeden Hinweis zu melden.

Jan Wenzel und Anne König sagen, dass sie nach dem Anschlag in der Verantwortung stehen, sich mit der Gewalt gegen das Kunstwerk auseinanderzusetzen. Sie möchten die Tafeln nicht nur ersetzen, sondern auch versiegeln, damit sie nicht mehr beschmiert werden können. Seit Freitag läuft eine Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung. "In der öffentlichen Wertschätzung sehen wir aber auch einen gewissen Schutz für das Kunstwerk. Wir wollten nicht weichen, sondern im gesellschaftlichen Dialog ein Zeichen gegen die Gewalt setzen", so Wenzel. Die Erneuerung des Kunstwerks wird von einer Vortragsreihe begleitet, zu der auch Irme Schaber eingeladen ist, die Biografin von Gerda Taro. Bis zur Einweihung der neu angefertigten Tafeln bleiben die geschwärzten stehen. Jan Wenzel: "Die Gemeinschaft muss diesen Anblick aushalten."

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