Valeria Bruni Tedeschi: "Actrices":Die Möchtegern-Liebenden

Sie ist mehr als die große blonde Schwester von Carla Bruni: Valeria Bruni Tedeschi führte Regie, spielte die Hauptrolle und schrieb das liebevoll-witzige Drehbuch für den Kinofilm "Actrices". Über das komische Ticken der biologischen Uhr.

Rainer Gansera

Berühmt ist Valeria Bruni Tedeschi zurzeit als ältere Schwester der französischen Präsidentengattin, Carla Bruni Sarkozy, ehemals Top-Model und Chansonsängerin, der zahlreiche hochkarätige Affairen - zum Beispiel mit Mick Jagger, Eric Clapton, Donald Trump - nachgesagt wurden.

Vielleicht wird Valeria einmal einen Film mit dem Titel "Schwestern" machen, und dessen Szenario könnte so aussehen: Die ältere Schwester als hochsensible Künstlerin, die ihr Leben ganz und gar der Arbeit widmet. Die jüngere aber, die der Erstgeborenen nie verzeihen kann, dass sie Papas Prinzessin war, reüssiert als glamouröser Popstar und Prinzessin des Landes. Wer von beiden sich letztlich als die Glücklichere erweist, bleibt offen, und das Ganze ist eine surrealistisch-clowneske Komödie.

Als Schauspielerin hat die 1964 in Turin geborene Valeria Bruni Tedeschi mit den Großen des europäischen Autorenkinos gearbeitet: Alain Tanner, Marco Bellochio, Mimmo Calopresti, François Ozon. Bei Patrice Chéreau lernte sie ihr Handwerk und spielte Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Bei Chabrol durfte sie eine bodenständige, burschikose Kommissarin sein. Sie kann den darstellerischen Bogen weit spannen, von der kindlich Naiven bis zur hochgespannt Feinnervigen. Bei ihrer ersten Regiearbeit "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr . . ." (2003) bezauberte sie mit einem eigenwilligen Erzählton, der wundersam feminin aus Autobiographie, Witz und Fabel gemixt ist. All diese Elemente sind nun bei ihrem zweiten Film zu souveräner Reife gebracht.

Beschämend leer

Sie zeigt sich als Marcelline, eine erfolgreiche Bühnenschauspielerin, die kurz vor ihrem 40. Geburtstag feststellen muss, dass sie ihr Leben der Kunst geopfert hat und mit beschämend leeren Händen dasteht: kein Mann, kein Kind. Wenn die Gynäkologin ihr klar macht, dass die biologische Uhr unnachsichtig tickt, eilt Marcelline sogleich in die Kirche, entzündet vor dem Marienaltar eine Kerze und fleht: "Schenke mir einen Mann, schenke mir ein Kind, ich will auch auf Ruhm und Ehre verzichten!" Panik und Komik: die zwei Akkorde, die immer neu moduliert werden. Marcelline erwacht aus einem süßen Daseinsschlummer und stolpert haltlos von einer peinigenden Situation in die nächste.

Am Theatre des Amandiers in Nanterre (wo Valeria tatsächlich ihre ersten Erfahrungen sammelte) wird Turgenjews Komödie "Ein Monat auf dem Lande" einstudiert. Ein Stück, das reichlich Gelegenheit bietet, als Wahrheitsspiegel für Marcellines Leben zu dienen. Eine Heldin, die immer am Abgrund koketter Hysterie balanciert, und eine Story, die von Möchtegern-Liebenden erzählt, die zu jung oder zu alt für die große, reine Leidenschaft sind. Regisseur und Ensemble hofieren Marcelline, sie ist der Star der Aufführung.

Sie wirft sich auch hingebungsvoll in die Probenarbeit, aber ihre Krise durchkreuzt alle guten Vorsätze. Sie macht, immer den Tränen nahe, aus nichtigen Anlässen große Szenen, provoziert amouröse Verwicklungen, taumelt über die Bühne und durch ihr Leben, heimgesucht von den Gespenstern ihrer Vergangenheit (der verstorbene Vater setzt sich auf ihr Sofa und gibt Ratschläge, der Ex-Geliebte turnt nachts durch den Baum vor ihrem Fenster), bis ihre Rolle von der Regieassistentin besetzt werden muss.

"Actrices" ist keine Komödie über Eitelkeiten und Launen von Schauspielerinnen, sondern erzählt in Form eines komödiantisch stilisierten Selbstporträts von den tiefsten, intimsten Ängsten und Selbstzweifeln einer vierzigjährigen Frau. Warum habe ich nicht bemerkt, wie mein Privatleben ins Niemandsland abdriftete? Gehört zum "vollständigen" Bild der Frau die Mutterschaft? Solche Fragen werden in komische Situationen, die ihren Bodensatz veritabler Verzweiflung nie verhehlen, anmutig und anrührend transformiert.

Der dunkle Schatten

Valeria Bruni Tedeschi gelingen die wunderbarsten Szenen, wenn das Thema "Mutterschaft" umspielt wird. Wenn Marcelline versucht, einem Baby, das hilflos und vergessen in einem Umkleideraum liegt, die Brust zu geben; wenn sie nach einer Angstattacke zu ihrer Mutter (gespielt von Valerias leibhaftiger Mutter, der Konzertpianistin Marisa Borini) ins Bett steigt, und sich eine niederschmetternde Gardinenpredigt anhören muss: "Du hast keine Kinder, weil du selbst noch ein Kind bist, weil du dich weigerst, erwachsen zu werden!" Ging es in Valerias erster Regiearbeit noch um die übergroße, heiß geliebte Vaterfigur, so dreht sich jetzt alles um Mutterbilder und Muttersein.

Weil Valerias Marcelline Motor des Geschehens ist, weil alles aus ihrer Perspektive und Sensibilität hervorgeht, übersieht man leicht, dass es in "Actrices" noch eine zweite wichtige Schauspielerin-Figur gibt: die Regieassistentin Nathalie (verkörpert von Valerias langjähriger Freundin, Filmemacherin und Co-Autorin Noémie Lvovsky), die einst mit Marcelline auf die Schauspielschule ging. Sie hat alles: einen Mann, ein Kind, wird sich sogar die Hauptrolle ergattern. Sie ist das naive Double und der dunkle Schatten der Heldin: unscheinbar, raffiniert, voller Ressentiments.

In einer tollen Szene, bei der - wie in einem Slapstickfilm - eine Torte in Marcellines Gesicht landet, wirft Nathalie der Beneideten vor, dass sie keine Augen für die Welt und die Mitmenschen habe. Das ist das Wunder von "Actrices": dass sein radikal wahrhaftiger, bis zur Selbstentblößung gehender Subjektivismus nicht den Anhauch von eitler Selbstgefälligkeit aufweist. Valeria Bruni Tedeschi nimmt die Welt genau in den Blick, entzündet daran ihren Witz, und zeichnet die anderen Figuren so zärtlich, aufmerksam und liebevoll, als wären es ihre Kinder.

ACTRICES, Frankreich 2007 - Regie: Valeria Bruni Tedeschi. Buch: Tedeschi, Noémie Lvovsky, Agnès de Sacy. Kamera: Jeanne Lapoirie. Mit: Valeria Bruni Tedeschi, N. Lvovsky, Louis Garrel, Mathieu Amalric. Piffl Medien, 108 Min.

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