USA:Hätte doch bloß Meryl Streep die Golden Globes moderiert

Jimmy Fallon und Ryan Reynolds probieren es in Beverly Hills mit Teenie-Humor. Doch gegen Trump helfen keine sarkastischen Witzchen - gegen Trump hilft nur Herz.

Von Johanna Bruckner, New York

Bevor im späteren Verlauf der Golden Globe Awards die Preisträgerin Meryl Streep dem Abend eine politische Dimension verleiht und Donald Trump zu drei wütenden Tweets provoziert, beginnt die letzte US-Filmpreisverleihung "BPT", also: before President Trump, mit einem Gefühl des Erschreckens, ja Ekels. In der Eröffnungsszene der 74. Ausgabe sind Moderator Jimmy Fallon und Schauspieler Ryan Reynolds zu sehen: Fallon mit falscher Haarlocke am Klavier, Reynolds schmachtend am Instrument lehnend. "Dein Atem riecht so frisch", sagt Fallon zu Reynolds. Der lässt seinen Kaugummi blitzen, lächelt ein Zahnpastawerbungslächeln - und spuckt besagten Kaugummi direkt in den staunend geöffneten Mund seines Gegenübers Fallon.

Es ist der erste Höhepunkt der Show und der letzte für die beiden beteiligten Protagonisten. Reynolds wird an späterer Stelle noch einmal erwähnt: Als die großartige Goldie Hawn sich selbst persifliert und auf der Bühne die verwirrte Hollywood-Diva gibt, der versehentlich ein falscher Name rausrutscht. So darf sich Ryan Reynolds einen kurzen Moment freuen, als bester Schauspieler nominiert zu sein - bevor es an Namensvetter Ryan Gosling ist, für die Kameras ein möglichst dankbar-bescheidenes Siegerlächeln aufzusetzen. (Lesen Sie hier alles über die Sieger und Verlierer bei den Golden Globes.)

Und Tonight-Show-Moderator Jimmy Fallon?

Der muss an diesem Abend sehr oft "Begrüßen Sie jetzt auf der Bühne ..." sagen und versucht, dazwischen noch ein paar Trump-Gags zu pressen. Die gehen beim kritisch-intellektuellen Künstlerpublikum immer gut - und außerdem muss sich Fallon rehabilitieren. Schließlich war ihm im September nach einem Interview mit dem damaligen Präsidentschaftsbewerber Trump vorgeworfen worden, er habe es versäumt, Trump kritische Fragen zu stellen und ihm die Gelegenheit gegeben, sich als sympathischer, aufrichtiger Typ zu präsentieren.

Selbst die schlechteste Sängerin der Welt sagt Trump ab

Zum Ausgleich setzt Fallon diesmal direkt zum verbalen Todesstoß an: Dieser Abend sei "einer der wenigen Momente, an dem wir noch die Stimme des Volkes würdigen", so der Moderator. Eine Anspielung darauf, dass Trumps demokratische Gegenkandidatin Hillary Clinton bei der Wahl verloren hatte, obwohl sie drei Millionen Wählerstimmen mehr für sich gewinnen konnte. Möglich machte dies eine Besonderheit des amerikanischen Wahlsystems.

Es folgt ein weiteres Witzchen über die anstehende Amtseinführung des neuen US-Präsidenten. Selbst Florence Foster Jenkins, im gleichnamigen Film verkörpert von Meryl Streep, habe als Musik-Act abgesagt - und die sei immerhin die schlechteste Sängerin der Welt. Dann gehen Fallon die Polit-Pointen bereits aus und er versteigt sich lieber auf ein anderes Thema mit Beifallgarantie: Ryan Goslings Penis.

Gegen Champagner hilft Schamlosigkeit

Das klingt nach Verzweiflung und tatsächlich sind die Golden Globes traditionell ein hartes Parkett in Sachen Aufmerksamkeitsmanagement, schließlich darf während der Preisverleihung im Saal gegessen und getrunken werden (eine Zusammenstellung von Dankesreden mutmaßlich betrunkener Preisträger finden Interessierte hier). Um gegen Champagner zu bestehen, hilft Schamlosigkeit - denkt sich wohl auch Modern-Family-Star Sofia Vergara und wirft mit voller Absicht die Begriffe "annual", "anal" und "anus" durcheinander.

Man ist geneigt, die Golden Globes genau so zu verorten - als Branchenbeweihräucherungstreff mit ausuferndem Pflichtteil und geringem Unterhaltungswert. Inklusive schmalziger Dankesreden (Ryan Gosling präsentiert einen Klassiker des emotionalen Monologs: Liebeserklärung an die Ehefrau), verweigerte Dankesreden (Justin Hurwitz, Gewinner in den Kategorien Beste Filmmusik und Bester Filmsong für "La La Land", bedankt sich bei niemandem aus Angst, all jene zu erzürnen, die er vergessen könnte) und süßem Kind auf der Bühne (Sunny Pawar aus dem Film "Lion"). Wären da nicht Auftritte wie die von Viola Davis und Meryl Streep.

Davis, die sich kurz zuvor noch den Golden Globe als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle im Drama "Fences" abgeholt hat, darf Streep einen Sonderpreis für ihr Lebenswerk überreichen. Es wird eine Laudatio, wie sie nur eine große Schauspielerin auf eine andere große Schauspielerin halten kann. Sie endet mit einem Satz, der zugleich höchstes Kompliment an Streep und Abrechnung mit den diskriminierenden Idealen Hollywoods ist: "Du machst mich stolz, eine Künstlerin zu sein", sagt Davis in Richtung Streep. "Du gibst mir das Gefühl, dass das, was ich in mir trage, genügt, dass mein Körper, mein Gesicht, mein Alter genügen." Man will gerne glauben, dass in diesem Moment die Kollegen im Saal vom Champagner lassen und genau zuhören.

"Es hat mein Herz gebrochen, als ich das sah"

Dann betritt Meryl Streep die Bühne - und schafft das, woran Moderator Fallon den ganzen Abend gescheitert ist: Sie macht die aktuelle politische Situation nicht zur Lachnummer, sondern sie spricht über Dinge im Zusammenhang mit der Trump-Wahl, die für das liberale Amerika derzeit zum Weinen sind. Und genau das tut sie dann auch, immer wieder kämpft die dreifache Oscar-Gewinnerin auf der Bühne mit den Tränen. Etwa, als sie erzählt, welcher Auftritt sie in diesem Jahr voll beeindruckender Auftritte fassungslos gemacht habe:

Dieser Auftritt hat seine Haken in mein Herz geschlagen. Nicht, weil er gut war - daran war nichts Gutes. Aber er war effektiv und hat seinen Zweck erfüllt: Er brachte das gewünschte Publikum zum Lachen (...). Es war jener Moment, als die Person, die darum bittet, das am meisten respektierte Amt in unserem Land bekleiden zu dürfen, einen behinderten Journalisten nachgeäfft hat. Jemanden, dem diese Person überlegen war: an Privilegien, an Macht und an Möglichkeiten, sich zu wehren. Es hat mein Herz gebrochen, als ich das sah, weil es nicht in einem Film war - es passierte im wahren Leben.

Den Namen Trump nimmt Streep kein einziges Mal in den Mund - ihre Botschaft ist dennoch unüberhörbar. Aber die Schauspielerin will nicht nur das Bild eines Amerikas ohne Werte zeichnen, sie zeigt sich auch kämpferisch. Und weil manche Dinge in der Übersetzung nur verlieren können, hier ihr Fazit im englischen Original: "Hollywood is crawling with outsiders and foreigners. And if we kick them all out, you'll have nothing to watch but football and mixed martial arts - which are not the arts!"

Doch Donald Trump wäre nicht Donald Trump, ließe er einen solchen Affront auf sich sitzen. In gleich drei Tweets holt er zum Gegenschlag aus: "Zum hundertsten Mal: Ich habe nie einen behinderten Journalisten nachgeäfft." Er habe diesen lediglich als "kriecherisch" vorgeführt, nachdem dieser eine 16 Jahre alte Story über ihn verändert habe, um ihn schlecht aussehen zu lassen. Und überhaupt sei Streep eine der am meisten überschätzten Schauspielerinnen.

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