US-Star Jamie Foxx:Mehr amerikanischer Traum geht nicht

Jamie Foxx

Jamie Foxx bei der Deutschlandpremiere von "The Amazing Spiderman 2" am 15. April in Berlin.

(Foto: AFP)

In "The Amazing Spider-Man 2" spielt Jamie Foxx den verklemmten Electro, der irgendwann mit tödlichen Blitzen seine Weltwut herausballert. Wenn der Star über seine Rolle spricht, geht es aber schnell um ihn selbst. Eine Begegnung in Berlin.

Von Andreas Glas

Klar, man muss sich das Kinnbärtchen weg­denken und das Tattoo auf dem Hinter­kopf. Aber zwi­schen den Vorderzähnen hat er diese buben­hafte Lücke. Sie ist inzwischen win­zig, er hat sich die Zähne machen las­sen. Und trotzdem: Wer sich den kleinen Jamie Foxx vor­stellt, der kann bes­ser ver­stehen, warum dieser Mann jetzt ein blaues, durchgeknall­tes Mons­ter spielt. Eine Rolle, die eigent­lich zu bil­lig ist für einen Os­car-Gewin­ner. Oder? "Quatsch", sagt Foxx, "jedes Kind träumt davon, einen Su­perhelden zu spie­len." Jamie Foxx, das ewi­ge Kind. So ein­fach ist das. Und so kompli­ziert.

Er lümmelt in einem Plüschsessel im Hotel Adlon, an den Fenstern hängen fingerdicke Samtvor­hänge, seine Schuhe versinken im Teppich. Jamie Foxx ist nach Berlin gekommen, um über seine Rolle im neuen Spi­der-Man-Film zu reden. Über Electro, der - be­vor er zum blauen Monster mit Superkräften mutiert - eine arme Wurst ist. Ein verklemmter Stromtechniker, den die Kollegen mobben und die Frauen übersehen. Als dann die eigene Mutter sei­nen Ge­burtstag ver­gisst, entlädt sich Elec­tros gestaute Welt­wut - und er fängt an, mit tödlichen Blit­zen um sich zu ballern. "Electro ist ein gebro­chener Kerl. Für einen Schauspie­ler ist es großar­tig, so einen Charakter zu spielen", sagt Foxx.

"Ich kenne das aus mei­ner eigenen Kindheit"

Er erzählt das so inspiriert, wie man das tut, wenn im 20-Minuten-Takt ein neuer Re­porter reinkommt, aber die gleichen Fra­gen stellt wie der vorherige. Aber hakt man bei der Sache mit der Mutter und dem vergesse­nen Geburtstag nach, ändert sich das. Er lümmelt nicht mehr. Er krallt sich mit bei­den Händen im Sitzpols­ter fest, drückt den Rücken durch und sagt: "Ich kenne das aus mei­ner eigenen Kindheit: Ich habe Geburts­tag gefei­ert, aber meine Mum kam erst zwei Tage spä­ter und sagte: Honey, du weißt ja, ich lie­be dich, aber ich hatte zu tun. Das tat nicht gut." Plötz­lich fühlt man sich nah dran an Foxx. Und noch näher an dem kleinen Jungen, der er mal war.

Spricht Jamie Foxx über seine Rolle, geht es eigentlich um ihn selbst. Er macht da kein Ge­heimnis draus, irgendwie gehört das ja auch zur PR. Also erzählt er seine Ge­schichte. Dass er als Eric Bishop in einem Kaff in Texas ge­boren wurde; dass er sieben Monate alt war, als seine Eltern ihn im Stich ließen, weil sie ihn nicht ernähren konnten; dass er von seinen Großeltern ad­optiert wurde. Frü­her hat er wenig darüber gesprochen, jetzt sagt er: "Das holt dich alles ein. Ich wer­de bald 50, da fängst du an dich zu fragen: Was ist das alles wert?" Klingt, als stelle da je­mand sein Leben in Frage. Oder ist es die Midlife-Crisis?

Schwer vorstellbar bei einem, der ein Le­ben lebt, als stecke er seit 20 Jahren pau­senlos in einer Midlife-Crisis. Er fährt einen tarnkappengrünen Lamborghini mit Flü­geltüren. Er hat zwei Töchter von zwei ver­schiedenen Frauen. Hat den Ruf, ein Playboy zu sein, auf seinen Partys wird nackt Bas­ketball gespielt. Einmal soll er Colin Far­rell bei Dreharbeiten so unter den Tisch gesoffen haben, dass sie ihn direkt in eine Entzugsklinik fliegen mussten. Und mit Ende Dreißig hat er einen Rap-Song mit einem Re­frain geschrieben, der so geht: "Sex, die ganze Zeit Sex / Sex in meinem Kopf / Sex, wo immer ich gehe / Sex, ich versuche es dir zu erzählen / Sex, er ist stärker als jede Droge oder Liebe / Ooooh, Sex." Jamie Foxx, der ewig Pubertierende.

Einfach chillen, sagt Foxx

Wäre Foxx Deutscher, hier hätte man längst aufgehört ihn ernst zu nehmen. Ewig-Pubertierende wer­den in Deutschland öffentlich zerlegt, man muss nur Lothar Matthäus fra­gen. Aber Deutschland ist ja auch ein Land, das den amerikanischen Traum nur aus der Ferne kennt. Und Foxx verkörpert nicht weniger als diesen Traum, über Klassen- und Rassen­grenzen hinweg. Als Teenager verließ er die texanische Provinz, um sein Glück in Los Angeles zu versuchen. Mit 18 begann er dort als Schuhverkäufer, mit 38 bekam er in der selben Stadt den Oscar für seine Rolle als Soul-Legende Ray Charles. Und ein Jahr später stand er mit sei­nem Rap-Album "Unpredictable" auf Platz eins der US-Charts.

Mehr amerikanischer Traum geht nicht. Und jetzt sitzt er im plüschigen Adlon, trägt einen Schal in Farben der US-Flagge um den Hals und stellt allen Ernstes sein Leben in Frage? "Ich würde es nicht Midlife-Crisis nennen, es ist eher ein Erwachen", sagt Ja­mie Foxx - und verrät, was sein Leben auf den Kopf ge­stellt hat. Vor ein paar Monaten ist seine Mutter bei ihm eingezogen, in seine 16-Hektar-Avocado-Ranch in Santa Bar­bara. Jah­relang, sagt Foxx, sei sie gar nicht gekom­men: "Und wenn sie doch mal kam, blieb sie eine Nacht und ging wieder. Dies­mal kam sie, blieb einen Tag, zwei Tage, eine Wo­che, einen Monat. Und jetzt ist sie im­mer noch da. Sie trinkt Bier, isst Sand­wiches und chillt einfach."

Einfach chillen, sagt Foxx, und lümmelt sich wieder tief in den Sessel. Vielleicht färbt die Ruhe seiner Mutter ab, vielleicht hat er durch die Ver­söhnung seinen Frieden gefun­den. Es ist ja nicht lange her, da hat Jamie Foxx er­zählt, wie er sich seinen 100. Geburtstag vor­stellt. Dass er sich 100 Tän­ze von fünf 20-jährigen Stripperinnen wün­sche. Jetzt klingt das anders: "Ich bin Mitte 40, hänge immer noch in Clubs rum und mache diese Kinder-Scheiße. Ich frage mich: Will ich das mit 50 immer noch machen?" Eine Antwort gibt er nicht, für eine Nach­frage ist es zu spät. Die Zeit ist um, sagt die Pressefrau. Ein Hände­druck, dann ver­lässt Jamie Foxx den Raum mit den Samtvor­hängen. Zurück bleiben Fußabdrücke im tie­fen, plüschigen Teppichbo­den. Und das Ge­fühl, dass das ewi­ge Kind gerade dabei ist, erwachsen zu wer­den.

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