Ungarn:Schuldig!

Der ungarische Theaterregisseur und Autor Árpád Schilling hat schon vor der Wahl angekündigt, das Land zu verlassen. Aus Frankreich schickt er jetzt einen flammenden Aufruf gegen die Politik von Wahlsieger Viktor Orbán.

Von Sonja Zekri

Der Regisseur und Autor Árpád Schilling wurde 1974 im ungarischen Cegléd geboren, inszeniert aber inzwischen in ganz Europa. In München sind unter anderem seine Inszenierungen von "La Cenerentola", "Rigoletto" und "Die Sache Makropoulos" zu sehen. Mit der ungarischen Regierung liegt er seit Langem im Streit. Kurz vor der Parlamentswahl hat er angekündigt, dass er Ungarn verlassen wird und nach Frankreich zieht.

Nun schickt er einen flammenden Aufruf gegen den Wahlsieger Viktor Orbán, für eine direkte Demokratie hinterher. Unter dem Titel "Trauer und Auferstehung" verbreitet er per E-Mail eine Art Manifest, in dem er den Wahlausgang beklagt: "Für all jene, die in einem Land leben möchten, das weniger feudal und deprimierend ist, weniger hasserfüllt", für die Anhänger der Verfassung und der Republik, sei der Sonntag eine bittere Niederlage gewesen. Diese Niederlage sei bitterer als jene in den Jahren 2010 und 2014, denn die demokratischen Parteien hätten versagt. Die Hälfte der Wähler habe für Orbán gestimmt, die andere für vier Parteien, die ins Parlament einziehen, und für drei, die draußen bleiben.

Die Zusammensetzung des Parlaments aber laufe darauf hinaus, dass 40 "Demokraten" 156 "Antidemokraten" gegenübersitzen, weder gebe es eine Chance auf eine echte Koalition, noch auf parlamentarische Arbeit, so Schilling: "Viktor Orbán kann tun, was er will." Der Wahlausgang habe Ungarn um "30 Jahre zurückgeworfen."

Als Ausweg empfiehlt er eine Abkehr vom Parteiensystem und eine Art direkte Demokratie mit "authentischen Menschen", "unabhängigen Kandidaten" und "voller Kooperation". Da die ländlichen Gebiete vorerst verloren seien, gelte es, mit einem unabhängigen Kandidaten die Hauptstadt zu gewinnen - auch auf die Gefahr eines Rückschlages durch Orbán. Der Wahlsieger betrachte die Ungarn ähnlich wie der einstige ungarische Diktator Miklós Horthy: "Wir sind schuldig", schreibt Schilling, "schuldig, weil wir denken, schuldig, weil wir frei leben wollen und nicht an manipulative Hetze glauben".

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