"Und morgen Mittag bin ich tot" im Kino:Noch einmal das Leben feiern

"Und morgen Mittag bin ich tot" im Kino: Wenn sich das Leben in Abschiedsblicken und Erinnerungen verdichtet: Mutter (Lena Stolze) und Tochter (Liv Lisa Fries) in "Und morgen Mittag bin ich tot".

Wenn sich das Leben in Abschiedsblicken und Erinnerungen verdichtet: Mutter (Lena Stolze) und Tochter (Liv Lisa Fries) in "Und morgen Mittag bin ich tot".

(Foto: Universum Film GmbH)

Die Geschichten von Todkranken, denen nur noch kurze Zeit bleibt, sind automatisch schockierend. Doch die Todesnähe kann auch als Herausforderung verstanden werden, das Leben noch einmal zu feiern. In "Und morgen Mittag bin ich tot" gelingt es Nachwuchsdarstellerin Liv Lisa Fries, diese Ambivalenz brillant auf den Punkt zu bringen.

Von Rainer Gansera

Seit Andreas Dresens "Halt auf freier Strecke" haben Sterbedramen Konjunktur. Nicht nur im deutschen Kino, auch beim Fernsehspiel häufen sich seither die Geschichten von Todkranken, denen nur noch kurze Zeit bleibt. Der Tod, an den keiner gedacht hat, klopft an und bringt sich herausfordernd in Erinnerung.

Schon versuchen Soziologieseminare zu ergründen, warum der aus dem modernen Alltagsleben weitgehend verdrängte Tod plötzlich diese filmische Präsenz erhält. Liegt es daran, dass wir den traditionellen, rituellen Umgang mit dem Tod verlernt haben und nun tastend nach neuen Umgangsformen suchen?

Die ersten Filme des neuen "Memento Mori"-Genres betonten den Schock, die Betroffenheit, den Schmerz. Dann wendete sich die Perspektive. Die Todesnähe wurde zur Herausforderung, das Leben noch einmal zu feiern, die glücklichen Momente zu erinnern und die Menschen, die man liebt, in den letzten Tagen noch einmal um sich zu versammeln. So war das jüngst in Lars Kraumes "Meine Schwestern", so ist es nun in dem gleichermaßen bewegenden und darstellerisch brillanten "Und morgen Mittag bin ich tot".

Frederik Steiners Kinodebüt erzählt von einer jungen Frau, die ihren Lebensabschied als würdevolle Zeremonie gestalten will. Lea (Liv Lisa Fries), 22, leidet an Mukoviszidose im Endstadium. Sie will nicht verkabelt in einem Klinikbett auf den unabwendbaren Erstickungstod warten und entschließt sich, nach Zürich zu fahren, um dort in einem Sanatorium aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

Hautnahe Inszenierung

In der Schweiz ist der "assistierte Suizid" gesetzlich erlaubt. Regisseur Steiner will keinen Themenbeitrag pro oder kontra Sterbehilfe liefern, er konzentriert sich auf Leas Schicksal und man spürt, dass seine hautnahe Inszenierung authentischen Erfahrungen entspringt.

Gezählte Tage, gestundete Zeit, das Leben verdichtet sich in Abschiedsblicken und Erinnerungen, auch in letzten Flirts und Romanzen. Leas Mini-Romanze mit dem suizidgefährdeten Moritz (Max Hegewald) wird zum Herzstück der Erzählung, wenn sie die Bekehrung eines Lebensmüden zur Wiederversöhnung mit dem Leben andeutet.

Faszinierend, wie rückhaltlos Liv Lisa Fries in ihre Rolle eintaucht, in Leas Hin-und-her zwischen quälender Atemnot und dem Versuch, sich Witz, Souveränität und Würde zu bewahren. Fries spannt den Bogen des Dramas von der ersten bis zur letzten Minute. Sowohl beim Bayerischen Filmpreis wie beim Max-Ophüls-Preis erhielt sie dafür die Auszeichnung als "Beste Nachwuchsdarstellerin".

UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT, Deutschland 2013 - Regie: Frederik Steiner. Buch: Barbara te Kock. Kamera: Florian Emmerich. Musik: Daniel Sus. Mit: Liv Lisa Fries, Lena Stolze, Sophie Rogall, Max Hegewald, Bibiana Beglau, Johannes Zirner. Universum, 103 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: