Die engen Straßen sind kühl unter der gleißenden Sonne - beschattet von großen Sonnensegeln. Eine Mauer schützt die Stadt vor den Wüstenwinden. Buntgemischtes Volk flaniert auf den Gassen und Plätzen, Kinder spielen auf den Wegen, sie haben keine Angst vor rasenden Autofahrern, denn die gibt es hier nicht. Bäume rascheln im Wind.
Wer will, lässt sich abholen von seinem persönlichen öffentlichen Transportgleiter. Von oben liefert die Sonne die notwendige Energie, das Wasser stammt aus einer solargetriebenen Meerwasserentsalzungsanlage, und tief im Boden wird die Stadt über ein riesiges Netz funktionsfähig gehalten; dort werden Müll und Abwasser entsorgt, Energie und Warmwasser werden zugeleitet. An der Oberfläche wird man davon nichts mitbekommen. Und nein, wir sprechen nicht von einer der utopischen Städte in "Star Wars". Dies wird einst eine Erdenstadt sein.
Bisher existiert sie nur virtuell. Doch vor einer Woche wurde der Grundstein gelegt für "Masdar", mitten in der Wüste von Abu Dhabi am Persischen Golf. Auf einem Gebiet von sechs Quadratkilometern sollen dort einmal 50 000 Bewohner leben. Ende 2009 schon wird der erste Bauabschnitt bezugsfertig sein: das Masdar Institute, ein Forschungszentrum.
Nachhaltiges Wirtschaften
In acht Jahren soll die ganze Stadt stehen. "Und", sagt Gerard Evenden mit fast unenglischem Stolz in der Stimme, "sie ist die erste Stadt, die nicht nur C02-neutral ist, sondern auch keinen Abfall produziert." "Zero-emission" und "zerowaste": Das sind die zwei mächtigen Schlagworte des englischen Architekturbüros Foster + Partners. Evenden ist der Leiter des Projekts Masdar.
"Damit", sagt er, "wird sich die Architektur in Zukunft beschäftigen. Man kann nicht mehr zu den alten Systemen zurückkehren. Sonst bauen wir Dinosaurier." Tatsächlich scheint weltweit eine neue Zeit der öko-urbanen Masterpläne angebrochen - als ob Architekten auf einmal erkannt haben, dass es nicht mehr reicht, nur ökologisch wertvolle Null-Emissions-Häuser zu bauen. Nicht ganz zu Unrecht. Lange Wege, ineffiziente Logistik und Energieversorgung tragen einen Großteil bei zur Energieverschleuderung. Öko-Sünder sind nicht nur die Suburbs, sondern auch die Städte selbst.
Mehreren Faktoren ist die Gelegenheit zu verdanken, nicht nur schon existierende Städte in energetischer Hinsicht zu optimieren, sondern eine völlig neue Stadt zu planen: Der Boom in China und Indien, die Milliarden Dollar, die Energielieferanten wie die Emirate angehäuft haben, schufen finanzielle Voraussetzungen. Außerdem wächst die Einsicht, dass die Welt nachhaltiger wirtschaften muss, um der Klimakatastrophe und der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu entkommen. Und nicht zuletzt verspricht sich so manche aufstrebende Weltmacht einen Prestigezuwachs.
Neue Energietechnologien
Also bauen Foster + Partners in Abu Dhabi. In China, auf einer Halbinsel vor Schanghai entsteht derweil die "Öko-Stadt" Dongtan für zunächst einmal 10 000 Bewohner. Energie soll dort aus Wind, Sonne, Bio-Treibstoff und dem eigenen Müll gewonnen werden, auf dem Land werden Agrarprodukte für die Stadt angebaut. Londons Bürgermeister war von dem Projekt so begeistert, dass er eigens hinfuhr und eine Menge Ideen für London mit nach Hause brachte.
Und im chinesischen Inland wächst Synia heran, eine Industriestadt auf der Fläche des Großraums München. In zwei bis drei Jahrzehnten sollen dort 800 000 Menschen leben. Geplant wird sie vom Büro Fink + Jocher, unterstützt vom baden-württembergischen Energieriesen EnBW. Durch kluge Planung soll der Energieverbrauch in Synia um bis zu 25 Prozent gesenkt werden.
Alle diese Städte haben den Anspruch, den Energieverbrauch und die CO2-Belastungen zu minimieren. Aber kein Projekt ist so radikal wie Masdar. Das mag daran liegen, dass das Emirat 15 Milliarden Dollar fest zugesagt hat für die sogenannte "Masdar Initiative", mit der neue Energietechnologien entwickelt werden sollen. Die Stadt ist davon ein wichtiges Teilprojekt. Ausgerechnet Abu Dhabi. Die Vereinigten Arabischen Emirate fielen bis vor kurzem nicht durch ihren Hang zur Ökologie auf, gehören sie doch zu den Staaten mit dem höchsten CO2-Verbrauch pro Kopf: Klimaanlagen, gekühlte Swimmingpools in der Wüste und eine Hallen-Skipiste brauchen nun mal Strom.
Umrüstung alter Städte
Gerard Evenden ist sicher, dass sein für die Wüste entwickeltes urbanes Konzept auf andere klimatische Bedingungen übertragbar ist. Man müsse nur ein paar Planungsprinzipien berücksichtigen, die sich je nach Lage der Stadt ändern: "Man muss die optimale Sonne-Wind-Lage finden. Und man braucht passive Kontrollsysteme wie Dämmstoffe, Schattenspender und ähnliches mehr. Dazu kommen die aktiven Energiesammler: Fotovoltaikanlagen, Windräder oder Wasserkraftwerke. "
Umweltschützer waren zunächst skeptisch, würden sich aber wohl gern begeistern lassen. Man müsse das Projekt unabhängig kontrollieren, meint Jean-Paul Jeanrenaud vom "WWF international". Tatsächlich ist das mit dem unabhängigen Überprüfen ein Problem bei Foster, sie haben für ihre großen Öko-Projekte wie das Frankfurter Hochhaus bislang keine Daten herausgegeben - was ihnen einen bösen Artikel im Greenpeace-Magazin eintrug.
Es bleibt beispielsweise abzuwarten, wie die Araber am Golf, nicht dafür bekannt, gern in Enge und zu viel Nähe zu leben, auf Masdars Konzeption reagieren. Werden dort am Ende nur Leute leben, die in den Instituten arbeiten und lehren? Laut Evenden jedenfalls sollen in Masdar auch die vielen Dienstleister leben, die die niedrigeren Arbeiten der Instandhaltung und Versorgung verrichten. Denn: "Wir wollen neue Gemeinschaften bauen."
Nun könnte man sagen, dass ein Versuch, auch wenn er nicht völlig gelingen sollte, besser ist als das Warten auf die perfekte Lösung. Aber es ist eine Sache, eine brandneue Stadt zu bauen, während schon jetzt die Hälfte der Menschheit in alten Städten lebt, die immer gigantischer werden. Die Umrüstung dieser alten Städte: Das ist die eigentliche Herausforderung.