Umgehen mit Fremdgehen:Er und Ich und die Frau Dazu

Im Computer ihres Mannes fand Susanne Kramer den Beweis: Er schlief mit einer anderen. Sie hätte töten können. Doch dann besann sie sich. Und begann mit beiden zu spielen.

Susanne Kramer

Soll ich den Mann erschießen, mit dem ich im März noch silberne Hochzeit gefeiert habe? Oder lieber die Frau, die in unsere Ehe eingebrochen ist? Oder soll ich beide vergiften, so töten Frauen doch! Mein Mann hat eine Geliebte. Ich kann die Küsse zählen, die sie sich in ihren Mails zuwerfen. In den unzähligen Mails, die mein Mann, der fehlerfreie, der hochintelligente, in einem Ordner namens "dazu" gespeichert hat, zum Durchklicken und Lesen. Die Buchstaben ihrer Liebesschwüre tanzen vor meinen Augen über den Bildschirm. Seine "Baronin" nennt mein Mann die Geliebte oder "Darling". Sie unterhalten sich über Golfabschläge, Saarländischen Rollbraten, die Arbeit und über Sex. So vertraut, dass es mir den Magen umdreht: "Viel knutscher, viel streichli, viel krauli" gehen von ihr an ihn. Ich kämpfe mich durch die Mails der letzten sieben Monate, fühle mich machtlos, schwach, aber auch zornig, und mit jeder Mail, die ich lese, wird meine Wut stärker. Es ist ein Freitag im November und seit heute weiß ich, dass mein Mann mich betrügt.

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Ich laufe in unserer Wohnung auf und ab. Bleibe vor dem Spiegel stehen und sehe mich an. Natürlich: Ihre Figur ist straffer, sie hat nicht mit den Spuren dreier Schwangerschaften zu kämpfen. Ich habe sie kennen gelernt, im August hat mein Mann sie mir auf dem Golfplatz vorgestellt. In ihren engen Hosen stand sie vor uns, schon damals hatte ich das Gefühl, die Hormone der beiden riechen zu können. Wie er sie begrüßt hat, so verlegen und so charmant habe ich ihn seit Jahren nicht gesehen. Aber ich wollte es nicht wissen, nicht wahrhaben. Jetzt weiß ich, dass die beiden schon zu dieser Zeit etwas miteinander hatten. Es steht in den Mails, die ich lese. Als ich ein paar Tage zuvor in das Kellerbüro meines Mannes gekommen war, hatte er hektisch versucht, sein Mailprogramm zu schließen. Er hat etwas vor mir versteckt, ich habe es gesucht und gefunden. Kein Vertrauensbeweis, ich weiß. Aber das ist jetzt egal. Mein Mann betrügt mich. Keine meiner Freundinnen hätte ihm das zugetraut. Alle hielten ihn in dieser Beziehung für ein stilles Wasser, in dem jede Frau ungefährdet hätte nackt baden können. Nun zu ihr, seiner Geliebten. Ich nenne sie "Dazu", wie den Ordner, in dem ich sie fand. Warum eigentlich "dazu"? Meinte er: dazu zu mir? Oder dazu zu anderen Affären? Jedenfalls ist Dazu verheiratet, lebt aber getrennt von ihrem Mann. Sie ist auf der Jagd. Okay, verstehe ich. Aber warum ausgerechnet er? Mein Mann hat in diesem Jahr die Fünfzig überschritten und er sieht nun wirklich nicht jünger aus. Seine Haare werden immer weniger und an manchen Stellen läuft er aus der Form. Sein Atem riecht übel, von den vielen Zigaretten. Dazu will, dass er aufhört zu rauchen, lese ich. Das wird er nicht, meine Liebe, das wird er nicht. Es gibt einige Dinge, die man an meinem Mann nicht mehr ändern wird. Vielleicht sollte ich ihn ihr lassen und froh sein, dass ich diesen Mann nicht mehr befriedigen muss.

Er und Ich und die Frau Dazu

Ich stehe vor den Fotos im Schlafzimmer: unser Familienglück, dokumentiert und gerahmt. Eine lange Zeit, mit Höhen und Tiefen: Wir haben gemeinsam zwei gesunde und ein behindertes Kind großgezogen. Aber nicht nur er hat unsere Ehe verlassen, sich von den Kindern entfernt, auch ich habe mich zurückgezogen in den letzten Monaten. Mein Mann lässt sich gehen, wenn er hier bei mir ist, schottet sich ab, rasiert und duscht sich nicht, wenn er nicht aus dem Haus muss, achtet nicht auf frische Wäsche, trägt kein Parfum. Er wirkt auf mich wie ein Penner. So habe ich ihn. Aber ich weiß auch: Zu ihr geht er als Schwan. Glatt rasiert und parfümiert, geschniegelt und gebürstet. Als Charmeur und gut gelaunt. Dieses Spiel ist nicht fair, ich wasche die Wäsche, in der er zu ihr fährt. Ich könnte die Fotos von der Wand schlagen und die Scherben unseres Glücks in seinem Kopfkissen verstecken. Ich könnte zur Anwältin gehen und ihn ruinieren. Ich könnte einen Rosenkrieg anfangen.

Aber ich will keinen Rosenkrieg, ein Rosenkrieg ist endgültig. Vielleicht können wir es noch einmal versuchen. Vielleicht nicht, ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Dazu bekommt ihn nicht. Nicht so, nicht kampflos. Ich heule nicht, ich schreie nicht. Ich bin nicht einmal verzweifelt. Ich bin fast ruhig. Nein, ich will keinen Rosenkrieg. Aber ich glaube, ich will ein Rosenspiel. Ja, ich werde mitspielen in dem Spiel, das ihr beide schon so lange spielt, schon seit sieben Monaten, wie ich jetzt weiß. Denn ich kenne eure Mails. Ich weiß, was ihr denkt und wann ihr euch trefft. Ihr lacht in euren Mails über meine Unwissenheit, darüber, wie ihr euch zusammennehmen musstet auf dem Golfplatz, damit ihr euch vor meinen Augen nicht küsst und nicht berührt und nicht unter Tannen übereinander herfallt. Ihr hattet kein Mitleid. Jetzt bin ich im Spiel und ihr wisst es nicht. Und ich habe auch kein Mitleid. Ich werde Dazu aus unserem Leben werfen, sie entfernen, und erst dann darüber nachdenken, ob ich meinen Mann überhaupt noch will.

Wahrscheinlich bin ich verrückt, ja, ich muss wohl verrückt sein, aber ich freue mich auf das Rosenspiel, weil allein ich die Kontrolle habe. Zuerst speichere ich alle Mails aus dem Ordner "dazu", die mir wichtig scheinen, auf meinen Laptop. Die Beweise sind gesichert, das Spiel kann beginnen.

Mir ist klar, dass Dazu mehr ist als nur eine Affäre, das macht es schwieriger. Aus ihren Mails weiß ich: Sie will, dass er endlich mit mir spricht. Ich weiß, dass Dazu nicht die Geliebte bleiben will. Ich weiß, dass mein Mann eine Scheidung von mir in Erwägung zieht. Aber ich weiß auch, dass er in seinen Antwort-Mails herumlaviert und tausend Ausreden erfindet, warum er gerade nicht mit mir sprechen könnte: Ich hätte so viel mit der Steuer zu tun, er wolle zuerst mit seiner Mutter sprechen, die Kinder täten ihm Leid. Er belügt nicht nur mich. Das werde ich nützen.

Er und Ich und die Frau Dazu

Ich will Dazu treffen, ihr in die Augen schauen. Zum Golfspielen ist es zu kalt, wir haben Mitte November. Außerdem will ich in meinem Revier kämpfen, weil mir die vertraute Umgebung hilft. Also lasse ich eine Einladungsliste für meinen traditionellen Adventskaffee auf dem Küchentisch liegen. Darauf: "die nette Frau vom Golfplatz". Am nächsten Tag kontrolliere ich seine E-Mails, und tatsächlich: Er hat es schon weitergegeben an sie. Dazu weiß, dass sie eingeladen ist. Und: Sie hat die Dreistigkeit, ihm zu sagen, dass sie kommt: "Ich bin ja neugierig, wie du lebst", schreibt sie. Das überrascht mich. Ich hatte gehofft, dass sie kommt, aber niemals damit gerechnet. Sie ist sich zu sicher in ihrer Rolle. Der Termin unserer zweiten Begegnung steht, aber dieses Mal, meine Liebe, dieses Mal führe ich Regie.

Dann greife ich auf einem anderen Feld an: Mein Mann hat schon vor Monaten das Bett verlassen. Kurz bevor er sich mit Dazu einließ, wie ich jetzt weiß. Ich muss sein Interesse wieder wecken. Also schreibe ich ihm eine Liebesmail (wir mailen uns öfter, meist aber nur kurze Nachrichten). Jetzt erzähle ich ihm in meiner Mail von uns und unserer Liebe, von der ich nicht weiß, ob es sie noch gibt. Ihm, dem eigenen Mann, der einer anderen "Ich liebe dich" unter die Mails tippt, mit einer ganzen Zeile voll Ausrufezeichen dahinter. Auch sage ich ihm, dass ich wieder mit ihm schlafen und seine Nähe spüren möchte. Er leitet den Liebesbrief direkt an Dazu weiter. Er macht sich über mich lustig. Das trifft. Ohne zu zögern, lädt er sie in unsere Ehe ein. Aber ich gebe nicht auf. Noch ein Liebesbrief per Mail. Neun von elf Absätzen beginnen mit "Ich werde dich immer lieben".

Diese Mail leitet mein Mann nicht weiter. Aber er schreibt seiner Geliebten: "Hui, habe noch einen Brief meiner Angetrauten erhalten, ähnlichen Inhalts, den Rest will ich dir ersparen." Vielleicht denkt er nach über uns. Zu Hause bemühe ich mich, zärtlicher zu sein. Eines Nachmittags, als er gerade aus der Dusche steigt, verführe ich ihn. Am helllichten Tag. Jetzt hat er erst recht ein Problem. Schließlich hat er seiner Geliebten die Treue geschworen, in so vielen Mails. Er betrügt nicht nur mich. Auch das werde ich nützen.

Aber zuerst steht der Adventskaffee an und ich muss Dazu noch persönlich einladen, telefonisch. Also frage ich meinen Mann nach der Nummer, er stottert, sagt, er wisse nicht, wen ich meine, kann dann die Nummer angeblich nicht finden. Dazu findet das Spiel lustig, "hihi und nun hat dein Frauchen meine TelNr.", schreibt sie. Noch lachst du, meine Liebe. Als ich sie anrufe, klingt sie nett und frisch und sagt erfreut zu. Jetzt werde ich nervös. In der Stadt besorge ich mir eine "In-fünf-Minuten-zwanzig-Jahre-jünger"-Maske, neuen Nagellack und Lippenstift und ein anderes Make-up. Rosenspiel mit allen Mitteln. Soll ich die beiden vor all unseren Freunden auffliegen lassen, beim Adventskaffee? Nein, zu plump. Ich will Dazu und meinen Mann trennen, nicht im Kampf gegen die geifernde Gattin vereinen. Also spiele ich die perfekte Gastgeberin, alles ist bereit, es ist gesaugt, gewischt, geputzt und angerichtet. Sogar mein Mann hat geholfen. Dann ist Dazu da. Ich zerspringe fast vor Aufregung, mein Herz schlägt bis zum Hals, so laut, jeder muss es hören, denke ich. Aber ich lege meinem Mann hier liebevoll die Hände auf die Schultern, berührte ihn da zärtlich und bin vor aller Augen die Liebende. Vor allem vor ihren Augen. Mein Mann spielt mit, er kann ja schlecht anders. Und es funktioniert, Dazu ist wütend, auch auf meinen Mann, "es war mir eine EHRE, euer Eheglück erleben zu dürfen", mailt sie am nächsten Tag. Schön. Das Rosengift beginnt zu wirken.

Nach dem Adventskaffee wird es Zeit für einen nächsten Schritt. Ich besorge mir von meinem Mann ganz offiziell ihre E-Mail-Adresse. Ich muss mich ja bedanken, für die Pralinen, die sie zum Kaffee mitgebracht hat. Also schreibe ich ihr, unverfänglich, "Nett war es mit dir", und erzähle von den Kindern, seinen Kindern. Sie antwortet, schreibt über ihre gescheiterte Ehe. Wahrscheinlich denkt sie, ich bräuchte jemanden zum Reden. Zwei oder drei Mal schreiben wir uns noch am selben Tag, der direkte Draht ist hergestellt. Denn dann beginnt mein Spiel: Wenn mein Mann ihr mailt, er wäre am Abend zuvor früh schlafen gegangen, schreibe ich ihr, dass ich so nett mit meinem Mann essen gewesen sei. Schreibt er ihr beiläufig, dass die Familie beisammen sei, erzähle ich, was wir gekocht haben, wie es den Kindern geht und was wir mit den Omas unternommen haben. Sie soll lesen, dass sie in eine Familie einbricht. Nebenbei erwähne ich, dass wir gerade eine kleine Ehekrise bewältigt hätten. Und dass wir wieder mehr Sex haben. "Schläfst Du wieder mit ihr???", schreibt Dazu ihm. Sie ist wütend und fängt an, ihm zu misstrauen. Gut so. Er leugnet. Er lügt.

Den ganzen Dezember über sabotiere ich außerdem ihre Treffen. Ich lese ja, wann sie sich treffen wollen, fast alles läuft über Mail, und ab und zu kann ich auch Dazus Kurznachrichten lesen, auf dem Handy meines Mannes. Also erfinde ich einen Grund, warum er mich abends irgendwo abholen muss, oder sage ihm, ich käme nach in die Kneipe, wo er angeblich mit einem alten Freund hin will. Dazu sieht meinen Mann kaum noch. Sie beschwert sich, er reagiert nicht, "keine Antwort ist auch eine Antwort", schreibt sie.

Dazu und ich schreiben uns derweil immer öfter, manchmal mehrmals am Tag. Vielleicht ahnt sie etwas, aber sie lässt es sich nicht anmerken. Irgendwann fängt Dazu an, meine Mails gegen ihn zu verwenden, immer wieder bezieht sie sich in ihren Mails auf mich. Er will das nicht hören, will, dass sie mir nicht mehr schreibt. Alles was ich ihr erzähle, nennt er nur "das Gequake meiner Frau". Zwischenzeitlich haben sie Verdacht geschöpft, ich würde mitlesen, und mein Mann hat den Ordner "dazu" verschoben. Aber ich finde ihn wieder und auch die Mails. Der Tonfall der beiden wird barscher, die Mails werden kürzer. Ich habe Streit in ihre sorglose Ab-und-zu-Beziehung getragen. Ich habe die beiden da, wo ich wollte: Sie beschwert sich, er würde mir Hoffnungen machen, er sagt, er wisse nicht, wovon sie spreche. Sie will sich mit ihm treffen, um "vernünftig zu reden", er drückt sich. So geht es Tage, Wochen. Schließlich beendet Dazu die Affäre. Sie will nicht die Geliebte bleiben und sie will keinen Feigling und Lügner haben. Dass mein Mann beides sein kann, habe ich ihr klar gemacht. Auch wenn sie das nicht weiß. Das Rosenspiel ist vorbei. Ich habe gewonnen.

Unsere Ehe ist damit noch lange nicht gerettet. Ich kann unmöglich diesen ganzen Müll in mir lassen, er muss raus. Ein paar Wochen später, an einem Sonntag, beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine, frage ich meinen Mann fast beiläufig, seit wann ich seiner Meinung nach von der anderen wisse. Er ist sprachlos. Zündet eine Zigarette an. Leugnet alles. Am nächsten Tag schreibe ich Dazu, dass ich alles weiß. Sie gibt es sofort zu und mailt auch meinem Mann, dass sie mir die Affäre gestanden habe. Ich schicke meinem Mann Auszüge aus seinem Mail-Verkehr mit ihr, aber ich spreche ihn nicht mehr darauf an. Vielleicht weil ich feige bin. Vielleicht weil ich nicht vor ihm heulen will. Ich bin fertig mit ihm, in dieser Sache.

Aber ich bin noch bei ihm. Noch. Er bemüht sich wieder um mich, er pflegt sich auch zu Hause, er ist liebevoll zu mir. Vielleicht haben wir noch eine Chance, das werden wir sehen. Seine Auszeit aus unserer Ehe muss nicht das Ende bedeuten, wenn ich irgendwann wieder das Gefühl habe, ihm wieder vertrauen zu können. Während des Rosenspiels konnte ich über all das nicht nachdenken. Jetzt muss ich verarbeiten, was passiert ist, das Gelesene vergessen lernen. Ich schreibe das Rosenspiel auf, weil mir das Schreiben gut tut. Mein Mann weiß, dass ich viel schreibe, aber er fragt nicht nach. Ich würde es ihn lesen lassen. Das hier ist nicht Rache, ich habe nicht vor, meinem Mann mit diesen Zeilen wehzutun. Wenn ich es doch tue, ist mir das egal und das muss es auch sein. Er hat sich auch keine Gedanken gemacht, wie sehr er mich verletzen könnte. Eines ist jedoch gewiss: Ein Rosenspiel kann es für mich nur einmal geben. Das nächste Mal müsste ich gehen.

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