Umberto Eco:Nebel im Piemont

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Der Verleger von Umberto Eco verabschiedet sich hier von seinem Freund, den er als Aufklärer sieht - und als großes, kluges Kind.

Von Michael Krüger

Er hatte sicher viele Neider, das war unumgänglich bei dem in jeder Hinsicht unwahrscheinlichen Erfolg seiner Bücher; aber richtige Feinde hatte er nicht. Bis auf Silvio Berlusconi. Noch im Dezember vergangenen Jahres, als Eco seinen letzten Roman, "Nullnummer", im Münchner Literaturhaus vorstellte, beklagte er sich darüber, dass das System Berlusconi eine ganze Generation vergiftet habe; und es werde sicher länger als eine Generation brauchen, um wieder normale Bedingungen herzustellen.

Wenn Eco über seine Jugend sprach, erwähnte er immer den Nebel, der in Alessandria, im Piemont, herrschte: gut für den Wein und die Haut, aber schlecht für die Sicht. Die Arbeit seines ganzen Lebens habe eigentlich darin bestanden, diesen Nebel wegzupusten, um klare Sicht zu haben. Er war, im Sinne Diderots, ein wahrhaftiger Aufklärer, und wer seine "Scritti Morali" liest, kann sich einen Eindruck von seiner unbedingten Moralität machen. Die Kirche hat Eco als junger Mann verlassen, was nicht bedeutete, dass er nicht sein Leben lang sich mit theologischen Fragen und der sozialen Verantwortung der katholischen Kirche herumschlug. Sein Gespräch mit dem Kardinal Martini zeugt davon, dass seine Haltung alles andere als besserwisserisch war.

Als ich von seinem Tod hörte, dachte ich im ersten Moment: Ein Kind wie er kann doch nicht sterben, das darf kein Gott zulassen. Nein, ich dachte nicht an mich, der fast vierzig Jahre mit ihm und seiner Frau Renate bekannt und dann befreundet war, ich dachte daran, dass solche großen klugen Kinder, wie er eines war, nicht sterben dürfen. Denn die Art und Weise, wie diese Kinder die Welt auseinandernehmen und wieder zusammensetzen; der Respekt, den diese begabten Kinder der Welt und den Dingen gegenüber bezeugen; die freundliche Aufmerksamkeit auch den Sachen gegenüber, die nicht im Zentrum stehen, gar nicht zu reden von seinem Witz und seiner Schlagfertigkeit - solche Menschen dürfen nicht sterben. Also ist er für mich nicht tot, basta.

Michael Krüger war lange Jahre Verleger von Umberto Eco beim Hanser Verlag.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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