Ukrainische Literatur:Zwischen den Flüssen

Serhij Zhadan ist der derzeit wagemutigste ukrainische Schriftsteller. In "Mesopotamien" porträtiert er die Stadt Charkiw und ihre Bewohner - das Buch ist eine Wucht.

Von Volker Breidecker

Man verschone dieses Buch mit dem Klischee des "Meisterwerks". Es ist weniger und mehr - es ist eine Wucht. Die Stimme dieses Autors und Erzählers, der auch ein begnadeter Lyriker, Sänger und Rezitator, ein landesweit gefeierter ukrainischer Performer und Rockstar ist, findet bei der Lektüre sogleich Widerhall im Ohr des Lesers, als wollte das Buch - man mache den Test darauf - laut gelesen werden: So kraftvoll, voller Rhythmus und geballter Energie, ohne Umschweife schildernd und von doch ungemein zarter Poesie ist diese Stimme. Voller Hingabe versenkt sie sich in die erzählten Figuren, auch wenn es durchweg schräge Vögel und Unglücksraben sind. Ihre Hoffnungen lassen sie dennoch nicht fahren: "Ich muss zurückkehren, zurück in die Stadt, die auf mich wartet, die Stadt zwischen den Flüssen, offen zum Himmel, verschüttet unter blauem Schnee." Wie Mesopotamien - wie Charkiw: "Alles liegt zwischen den Flüssen, und alles dort hat seinen Anfang - sämtliche Geschichten und alle Liebe."

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