Übersetzung:Bitte, entschuldjn Se, Mister

Übersetzung: Er begleitete seine Frau oft ins Schwimmbad Höfer, ging aber selbst nie ins Wasser.

Er begleitete seine Frau oft ins Schwimmbad Höfer, ging aber selbst nie ins Wasser.

(Foto: Arno Schmidt Stiftung/Suhrkamp)

1960 begann Arno Schmidt, William Faulkners "New Orleans Sketches" zu übersetzen. Er war enttäuscht.

Von Nicolas Freund

Das Übersetzen hat im Werk Arno Schmidts eine besondere Stellung inne. Es gibt sogar einen ganzen Text von ihm, der so tut, als sei er eine Übersetzung: "Die Gelehrtenrepublik" erschien 1957 und handelt von den durchgeknallten Abenteuern des Journalisten Charles Henry Winer in einem postapokalyptischen Amerika. Den im nicht real existierenden Original von Winer auf Englisch verfassten Bericht seiner Reise soll ein "Studiendirektor (emerit.)" namens Chr. M. Stadion ins Deutsche übertragen haben. Noch vor dem "Vorwort des Übersetzers" werden Verfasser und Übersetzer des Textes in einer Tabelle verglichen, die sie in Kategorien wie "Größe (m)", "Wortschatz", "Gesundheitszustand", "Jahreseinkommen" und "erotic drive" einander gegenüberstellt. Übersetzungen sind für Arno Schmidt nicht nur Handwerk, sie weisen ins Zentrum seines Schaffens und seines Humors.

Neben dem hochgradig ironischen Spiel mit den kleinen und großen Angriffsflächen, die fast alle Übersetzungen bieten, hat Arno Schmidt auch selbst Übersetzungen nicht nur erfunden, sondern auch angefertigt. Eine davon ist der als "New Orleans Skizzen" bekannte, frühe Texte William Faulkners. Im März 1960 nahm Schmidt den Übersetzungsauftrag an. Obwohl er nach eigenen Angaben "jedes Jahr 6 - 10 dergleichen Anfragen" bekomme, und meist ablehne, sagt er bei Faulkner zu, wohl in der Hoffnung, einen vielversprechenden Text des Nobelpreisträgers übertragen zu dürfen. Doch er wird bitter enttäuscht: Am 20. Mai schreibt er in seinem Tagebuch: "Der Faulkner ist mir unsäglich zuwider ! So ein Schleimer vom <Einfach=Leben>! Diese kunstvoll=Kunstlosigkeit; raffinierte Schlichtheit! Na, ich mach's aus <Reklamegründen>!" Bernd Rauschenbach hat die unterhaltsamen Korrespondenzen und Quellen um die Übersetzung im Nachwort zusammengetragen.

Die zu übersetzenden Texte Faulkners entstanden im Frühjahr 1925, noch vor der Veröffentlichung seines ersten Romans "Soldatenlohn" im folgenden Jahr, als eine Art literarische Reportage aus New Orleans für die Zeitschrift Double Dealer. 1958 erschienen die Texte neu bei der Rutgers University Press. Diese Ausgabe ist es, die Schmidt übersetzen sollte.

Schmidts Unmut ist verständlich. Obwohl sich in Faulkners Skizzen, wie das ebenfalls übersetzte Vorwort der englischen Ausgabe herausarbeitet, schon viele Verfahren und Motive aus seinen späteren Werken finden, bleibt doch der Eindruck von etwas überambitionierten literarischen Gehversuchen und oberflächlicher Sozialkritik, die aber trotzdem "maßlos interessant für den Fachmann und Literaturhistoriker" sind, wie Schmidt selbst urteilt. Bei der Übersetzung der Mundart konnte er sich dafür hemmungslos austoben: "Bitte, entschuldjn Se, Mister."

Diese sehr schöne Neuauflage bei Suhrkamp versteht zum Glück Spaß und hat der Übersetzung Schmidts Erzählung "Piporakemes" beigefügt, in der er selbst beim Wässern einer neu gepflanzten Thujenhecke (siehe Bild in diesem Artikel) Besuch von dem Literaturkritiker Dr. Mac Intosh (ein Anagramm von Arno Schmidt) bekommt, der sich über die in seinen Augen missglückte Faulkner-Übersetzung beschweren möchte.

William Faulkner: New Orleans. Skizzen und Erzählungen. Aus dem Englischen von Arno Schmidt. Mit einer Kurzgeschichte von Arno Schmidt und einem Nachwort von Bernd Rauschenbach. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017. 236 Seiten. 25 Euro.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: