TV:Wer auf wem liegt - die Welt der Doris Heinze

Mittelklasse-Männer, die jedem Rock hinterherjagen: Die post-postfeministische Drehbuch-Welt der gefeuerten NDR-Fernsehspielchefin.

P. Luley

Mein Gott, Doris J. Immer diese gegorenen, unlustigen Beziehungsgeschichten, mit den Namen, die man sich nicht merken kann, und am Ende ist das ganze Leben nur noch eine Laokoon-Gruppe im deutschen Wohlstandsmilieu.

Im Ersten zur besten Sendezeit wird am Mittwoch "Die Freundin der Tochter" zu sehen sein. Als der Film vor ein paar Monaten bei Arte zu sehen war, firmierte noch eine "Marie Funder-Donoghue" als Autorin. Eine studierte Wirtschaftswissenschaftlerin, die angeblich in Dublin gearbeitet hat und mit Ehemann David und Sohn Sean an der "Ostküste" lebt. Inzwischen weiß alle Welt, dass die Funder ein Phantom war, hinter dem die einstige NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze steckte, die vor fast vier Wochen in der Folge von SZ-Recherchen erst suspendiert und dann gefeuert wurde.

Das Verlassenwerden mit den vielen Schicksalen war ihr Lebensmotiv. Die Filmstory variiert das ewige Motiv des verheirateten älteren Mannes, der eine Affäre mit einer deutlich Jüngeren erlebt; hier eben mit der Freundin seiner Tochter. Das ist nicht übermäßig originell, aber weil es von sehr guten Schauspielern vorgetragen wird - Edgar Selge und Katrin Saß als kriselndes Paar, Susanne Bormann als Tochter, Esther Zimmering als Geliebte -, guckt es sich passabel weg. Und wer nicht gerade schon den Montagsfilm im ZDF gesehen hat (Mein Mann, seine Geliebte und ich), mag auch die Wendung, dass die Betrogene sich mit ihrer Konkurrentin anfreundet, überraschend finden. Im Rahmen des - regulär ausgewiesenen - Drehbuch-Œuvres Doris Heinzes ist Die Freundin der Tochter eines der besseren Werke.

Angefangen als Autorin hat Heinze 1995/96 mit zwei Hape-Kerkeling-Kooperationen: der Urlaubs-Animateurs-Komödie Club Las Piranjas und dem Königshaus-Klamauk Willi und die Windzors. Es folgten 1999 Holstein Lovers mit Nadja Tiller als reifer Frau, die grobschlächtige Landjungs per Seminar zu vollendeten Liebhabern auszubilden versucht, und 2000 das Senioren-Lustspiel Zwei Dickköpfe mit Format - Harald Juhnke und Klausjürgen Wussow als Pensionäre, die sich auf einer Kreuzfahrt mit Hilfe einer vermögenden Dame (Ruth Maria Kubitschek) zu sanieren planen. In Blondine sucht Millionär fürs Leben, ebenfalls aus dem Jahr 2000, gibt im Gegenzug Eva Hassmann eine von zwei Friseurinnen, die sich auf Marbella wohlhabende Junggesellen angeln wollen.

Animateure, Latin-Lover-Kurse, Kreuzfahrt-Galane und millionärsfixierte Blondinen, das ist also die Drehbuch-Welt der Doris Heinze, wobei insbesondere die Kombination aus Liebe, Kohle und Kalkül zuverlässig wiederkehrt.

Doris J. Heinze alias Funder-Donoghue war viele Jahre die Protagonistin einer Süßwarenfabrik, die an der Überzuckerung des Fernsehalltags kräftig mitgewirkt hat: "Attraktiv", "spannend und bewegend", "heiter-komisch-emotional" solle ein Fernsehfilm sein, hieß es in einem berühmt gewordenen "Optimierungspapier" der ARD im Jahr 2000, das eine Art Checkliste für Filme war, die unbedingt Quote machen sollten: Bürokratismus pur. Bewertet werden sollte, ob eine Geschichte emotional oder spannend genug sei. Das meinte übersetzt: noch schlichter als üblich.

Die Checkliste ist längst kassiert worden, doch wer die Heinze-Spur nachvollzieht, stößt immer wieder auf diese Kombination, die Quote bringen sollte: Mann, Frau, Knatsch - als führte der Gesellschaftskolumnist Michael Graeter die Regie. Wer auf wem liegt und wer nicht, das kann auch ein Lebensmotto sein.

Und was ist das eigentlich für ein post-postfeministisches Weltbild, das Funder-Heinze entwirft? Mittelklassemänner, die jedem Rock hinterherrennen; angejahrte Gattinnen, die um diese Sex-Langweiler verbissen kämpfen. Männer sind vielleicht Schweine, aber es geht schließlich um Besitzstandswahrung - es ist wie in der Anstalt. Den Ausdruck "Heinze-Touch" hatte, ganz ironiefrei, 1999 Die Zeit geprägt, um Heinzes Arbeit als Redakteurin beim NDR zu loben. Der Funder-Touch, das ist die Story für die Frauchen-Quote.

Die Kombinatation taucht auf in Ein Engel und Paul (aus dem Jahr 2002), einer Romanze mit Pierre Besson als verheiratetem Rechtsanwalt, der dem Charme der geheimnisvollen Marie (wiederum Hassmann) verfällt. Und sie ist charakteristisch für So fühlt sich Liebe an (2004), eine Lovestory mit den Schauspielern Hannes Jaenicke und Maria Furtwängler in einem Verlags- und Journalistenmilieu, wie es sich Lieschen Müller vorstellt.

Weitere obligatorische Ingredienzen eines Heinze-Drehbuchs sind erbauliche Dialoge im Stil von Ratgeber-Literatur (in Die Freundin der Tochter werden sie in den Cello-Stunden der betrogenen Ehefrau geführt) oder wenigstens trostspendende Oneliner ("Es gibt immer einen kleinen Dreh im Leben", weiß Der Mann von gestern). Und natürlich mindestens ein gefühltes Happy End. Um die Reißbretthaftigkeit ihrer Spielanordnungen zu bemänteln, ordnet Heinze ihren Figuren gern Marotten oder Redewendungen zu, die Lebensechtheit und Individualität suggerieren sollen. So muss Katrin Saß in Die Freundin der Tochter ständig Grammatikfehler ihrer Mitmenschen korrigieren, während diese der Alleingelassenen dauernd aufmunternd "Hab's schön!" zurufen.

Hab's schön, Doris!

Die Freundin der Tochter, ARD, 20.15 Uhr.

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