TV-Show "Survivor":Soap Island

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Die Mischung soll's machen: Exotisches Setting, Abenteurerfeeling und gegenseitige Kandidaten-Nominierungen à la "Big Brother". Doch "Survivor" wirkt wie "GZSZ" mit Insulanern.

Jennifer Fraczek

Auswanderer-Fernsehen ist in, Reise-TV ist in, Casting-TV ist nicht totzukriegen. Was liegt also näher, als die Elemente Abenteuer, exotische Landschaften und das menschliche Prinzip "Jeder-gegen-Jeden" zu verbinden? Also verfrachtete Pro Sieben 18 nur mit dem Nötigsten ausgestattete Abenteuerlustige für 50 Tage auf eine Insel am anderen Ende der Welt.

Vor dem Vergnügen steht der Schweiß: Jasmin vom gelben Team leistet ihren Beitrag einem komfortableren Inselleben. (Foto: Foto: ProSieben/Oliver S.)

"Survivor" heißt das Format, das im Übrigen seit Jahren im US-Fernsehen läuft, und das am Dienstag zum ersten Mal in Deutschland zu sehen war. Doch: Auch das Setting kann über den soapigen Charakter einer solchen Veranstaltung nicht hinwegtäuschen.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Diese aus der Wirtschaft stammende Weisheit gilt nicht nur, aber in besonderer Weise für TV-Formate. Weshalb sonst werden regelmäßig Kandidaten aufeinander gehetzt, die sich gegenseitig rauswählen und hinter dem Rücken (aber vor der Kamera) übereinander sprechen sollen. Am besten negativ.

Schadenfreude ist nicht nur für den TV-Abenteurer die schönste Freude und ein besonderer Reiz der "Survivor" soll in der Tatsache liegen, dass die Kandidaten einerseits voneinander profitieren sollen, andererseits aber Konkurrenten um den üppigen Gewinntopf von 250.000 Euro sind, den nur einer, nämlich der "Survivor" gewinnen kann.

Um den zu ermitteln, bemühen sich die Wahl-Robinsons in zwei Neuner-Gruppen um ein erträgliches Leben auf dem Eiland und treten regelmäßig in "Challenges" gegeneinander an. Doch im Kampf mit den Elementen und dem anderen Team steht ein Konflikt im Vordergrund: die eigenen Zwangs-Kooperationspartner. Und schon bald wird klar, dass diejenigen, die Häuser bauen, ein "Meeting einberufen" oder ähnliche strukturelle Maßnahmen ergreifen, alsbald den Zorn anderer auf sich ziehen.

Macher, Mitläufer und Verweigerer, das sind die drei Gruppen, in die das Team zerfällt. Und anstatt miteinander zu reden ist es, wie es sich wohl auch in der Realität außerhalb einer Reality-Show abspielt: Man sucht Verbündete und redet hinter dem Rücken über die betreffende Person.

Und da es noch nicht zu offenen Konflikten kommt, wird das dramatische Moment anders erzeugt: Schon allein die erste Kamerafahrt über das Südchinesische Meer lässt Episches vermuten, auch wenn Moderator Sascha Kalupke aus dem Off noch etwas holprig daherkommt.

Der Satz: "Das ist ihre Geschichte" macht auch für jene, die es nicht schon wissen, klar: Hier wird etwas erzählt, das schon vergangen ist. Dennoch steigt die Spannung, denn wenn das Leben auf der Insel eines ist, dann "gefährlich und unerbittlich". Und so fließen gleich zu Beginn Tränen bei Kandidatin Barbara, allerdings nicht, weil die Teamkollegen so nerven, sondern die Natur so ergreifend ist.

"Ihr habt gewonnen Feuer"

Kaum angelandet stehen dringliche Probleme an, die einer Lösung bedürfen - alles, was die Inselbewohner mitnehmen durften, waren ein Sack Reis, Trinkwasser und einige Töpfe. Und so teilen sich die Teams in zwei weitere Gruppen: die Nahrungsbeschaffer und die Häuslebauer. Jäger und Sammler also.

Beide Vorhaben, die von den beiden Gruppen mit unterschiedlicher Gewichtung umgesetzt werden, sind - ein Glück für die Sendung - nicht von Erfolg gekrönt. Der Funke will nicht überspringen, das Dach der eben erbauten Notunterkunft stürzt ein. Über eine inselinterne "Rohrpost" (gibt es vielleicht doch Menschen auf der gottverlassenen Insel ?) wird dann die erste "Challenge" angekündigt. Die Kandidaten sind sofort Feuer und Flamme, winkt doch ein Feuerstein als Gewinn.

Und Immunität. Nicht Immunität gegen Krankheitserreger, sondern eher politische Immunität im Sinne eines Schutzes vor Strafverfolgung - durch die Teammitglieder. Das Gewinner-Team muss niemanden rauswählen. Sehnsuchtsvolle Blicke auf das Feuer deuten die Bedeutung für die Insulaner an - und dann heißt es sich hängen lassen. Und zwar so lange, wie es geht, gegen das Gewicht eines Sandsacks.

Das glücklichere Ende hat das blaue Team für sich und der Moderator verkündet daraufhin: "Ihr habt gewonnen Feuer". Dass ausgerechnet Outdoor-Trainer Philipp der Held dieser "Challenge" wurde, entbehrt nicht einer gewissen Soap-Dramatik. Hatte er sich doch zuvor noch Vorwürfe gemacht ob des eingestürzten Dachs.

Vom Versager zum Retter, das ist nur eine der Geschichten. Auch wenn Produzentin Shona Fraser, bekannt noch als "DSDS"-Jury-Mitglied der ersten (und zweiten) Stunde, neugierig macht ("wie jeder Einzelne wirklich tickt, erkennt der Zuschauer erst nach und nach"), werden doch schon in der ersten Folge die Weichen gelegt. Es bilden sich Fronten und Meinungen, es wird klar wer nervt, wer anpackt und wer die Sympathieträger sein werden. Und doch stimmt es: Geschauspielert wird anfangs immer.

Das ist auch bei "Big Brother" zu beobachten. Und so wird das eigentlich Spannende die Entwicklung der Charaktere sein, wenn die relativ vielen Personen sich dem Publikum erst einmal eingeprägt haben. Es zeigt sich, welche dauerhafte Allianzen entstehen und wie sie sich im Laufe der Zeit verändern. Mit der freiwilligen oder erzwungenen Kooperation ist ja spätestens nach Folge sieben Schluss - dann tritt wirklich jeder gegen jeden an.

Aber zunächst muss in der ersten Folge einer seinen Hut nehmen. Die Situation spitzt sich - auch dramaturgisch - beim "Inselrat" zu, bei dem das "Verliererteam" eines seiner Mitglieder von der Insel verjagt. Dieser "Rat" wird, um das Ausweglose der Situation einzubringen, vor dem Gerippe eines abgestürzten Flugzeuges abgehalten, in dem die Kandidaten dann auch ihre Stimme abgeben. Was man in der Sendung nur ausschnittweise erfährt, dafür aber direkt im Anschluss auf der Senderseite, ist, wer wen gewählt hat. Davor kann jeder noch einmal für sich werben, in dem er sagt, dass er jeden aus dem Team schätzt und keinen besonders mag oder nicht mag. "Feuer steht für Leben" kündigt Sascha Kalupke dann bedeutungsschwanger an und jede Fackel steht für einen Kandidaten - Radiomoderatorin Hadnet ist die erste, für die das Licht ausgeht.

Überraschend eigentlich, schien sie sich doch gut in die Gruppe integriert zu haben. Aber da kommt zum Tragen, dass in den knapp 45 Sendeminuten drei Tage zusammengeschnitten werden, in denen sich mehr ereignet, als der Zuschauer sehen kann.

"Überwinde. Überliste. Überlebe" lautet der Untertitel der Sendung. Die Rollen bei "Soap Island" scheinen zwar verteilt, aber vielleicht zeigt sich in den zwölf weiteren 13 Folgen plus Finale doch das eine und andere "wahre" Gesicht.

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