TV-Nachtkritik: "Aus alt mach neu":"Wenn das Facelift nach Unfall aussieht, ist es nicht gut"

Brigitte Nielsen hat einen faustischen Pakt mit RTL geschlossen. Sie lässt sich verjüngen und erklärt, warum ihr dabei der Kopf anschwellen und explodieren könnte.

Lilli Köhler

Die ganze Welt ist eine Anstalt, mit öffentlichen und privaten Abteilungen, und alle Menschen sind bloß Insassen. Das ist jedoch kein Grund, das Leben tragisch zu sehen.

TV-Nachtkritik: "Aus alt mach neu": Brigitte Nielsen einst und heute. Oder heute und einst?

Brigitte Nielsen einst und heute. Oder heute und einst?

(Foto: Foto: RTL)

In beiden Abteilungen wird die Kost mittlerweile "heiß und fettig" serviert, und solange man immer gründlich kaut vor dem Schlucken und nachspült, kommt in der Werbe- oder Nachrichtenpause nicht alles gleich wieder hoch. Mit anderen Worten: ein gelungener Fernsehabend.

Neidlos muss man eingestehen, dass es Wesen gibt, die in der Anstaltshierarchie einen besonderen Platz einnehmen. Brigitte Nielsen zum Beispiel, die - nicht nur aufgrund ihrer Körpergröße - eine Art übermenschlicher Aura umgibt, ist zurzeit als kuriosestes Exponat dieser nicht ganz heilen Welt zu bestaunen.

In der Vergangenheit war die Dänenprinzessin von der Melancholie und deren Nebenwirkungen befallen und erholte sich davon öffentlich in der US-Reality-Show "Celebrity Rehab". Dann kam sie nach Deutschland und schloss einen faustischen Pakt mit RTL. Titel: "Aus alt mach neu - Brigitte Nielsen in der Promi-Beauty-Klinik".

Als Mensch robust

Fünfzehn Jahre jünger will die 44-Jährige aussehen, so alt, wie ihr Ehemann Mattai tatsächlich ist. Fettabsaugen war letzte Woche, Brust-OP nächste Woche, gestern aber die Königsdisziplin: Facelifting. Ist so viel Schnippelei im Dienste der Schönheit auf einmal überhaupt gesund?

"Sie ist als Mensch ziemlich robust", weiß der Chef der Beauty-Klinik, Dr. Gerhard Sattler. Er ist zuversichtlich, was Nielsens Durchhaltevermögen betrifft. Auch an Fachwissen und Erfahrung mangelt es ihm nicht: "Wenn es nach dem Facelift aussieht wie nach einem Unfall, ist es nicht gut."

Möglichen Kollateralschäden sieht auch Brigitte unerschrocken ins Gesicht und zieht die Konsequenzen. Nein, romantische Schäferstündchen mit ihrem Liebsten wären momentan nicht drin, vor allem nicht nach dem Gesichtslifting, da würde das Blut in ihrem Kopf zu sehr in Wallung geraten, der würde dann vielleicht anschwellen und explodieren.

Böse Kritiker könnten anmerken, dass dies nicht viel am Gehalt der Sendung ändern würde. Dabei verkennen sie die schauspielerische Leistung der ehemaligen Möchtegern-Diva, die in keiner ihrer bisherigen Rollen so überzeugen konnte wie jetzt in ihrer eigenen.

In der hermetischen Welt der Dornröschen-Park-Klinik, beherbergt in einem romantischen Darmstädter Fachwerkhaus, wird die hünenhafte Blondine zur märchenhaften Erscheinung, die von morgens bis abends ihren Hofstaat auf Trab hält, das ganze Haus vom Keller bis zur Mansarde herrschaftlich in Beschlag nimmt.

In Mumienverpackung durch die Klinik

Da darf der Gärtner, der gerade noch voller Muße ein Buchsbäumchen in die rechte Form brachte, plötzlich in die Stadt fahren, um eine Sofagarnitur für die Schoßhündchen zu kaufen; die eifrige Krankenschwester greift zum Telefon, weil im Schrank mit den Silikonkissenvorräten für die Prinzessin auf der Erbse nichts Passendes dabei ist. In radebrechendem Deutsch wendet sich die Dänin an Untergebene und Publikum. Alle verstehen sie.

Dann der große Augenblick: Stoffesel Pedro muss unbedingt mit in den Operationssaal, auf Brigittes Gesicht sind die Skalpellschnitte schnell eingezeichnet, ein Meridian beschreibt ihre neue Wangenkontur. Nach dem Facelifting wankt sie in Mumienverpackung und stoischer als Herman Munster durch die Gänge der Schönheitsklinik, plumpst erschöpft ins Bett.

Tagelang wird sie nun mit einer fiesen Boxervisage durch die Gegend rennen, gesprenkelt und verquollen, die Jeanne d'Arc der Sonntagabendunterhaltung. Zugegeben, es sieht schon ziemlich nach Unfall aus. Aber das ist so befriedigend am Leben in der Anstalt: Immer scheint es jemanden zu geben, den es noch schlimmer erwischt hat, als einen selbst.

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